In der Corona-Pandemie gehörten Bio-Supermärkte, Reformhäuser und Naturkostläden noch zu den Krisengewinnern. Doch seitdem infolge des Ukrainekrieges die Energie- und Lebensmittelpreise explodieren, hat sich das Bild gewandelt. Die Kunden bleiben weg. Selbst traditionsreiche Biohändler kämpfen mittlerweile ums Überleben.
»Bio-Supermärkte, Reformhäuser und Naturkostläden erleiden zurzeit deutliche Umsatzeinbußen«, sagte der Handelsexperte Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK der Deutschen Presse-Agentur. Der Grund: Angesichts knapper Kassen kaufen viel Verbraucherinnen und Verbraucher Bioprodukte immer öfter im Supermarkt oder beim Discounter.
Nach den jüngsten Zahlen der GfK lagen die Umsätze der Biosupermärkte im August um 10,8 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Naturkostläden und Reformhäuser verzeichneten sogar ein Minus von 37,5 Prozent. Der Chef der Bio-Kette Alnatura Götz Rehn, klagte kürzlich: »Der Bio-Markt erlebt gerade den schlimmsten Einbruch seit 35 Jahren.«
Vielen droht die Insolvenz
Die ersten Händler mussten bereits den Gang zum Insolvenzgericht antreten: Die 1927 gegründete Reformhauskette Bacher mit ihren bundesweit mehr als 100 Filialen beantragte im Sommer Insolvenz in Eigenverwaltung. Die Kette Superbiomarkt mit rund 30 Filialen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen suchte Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Doch nicht nur Branchengrößen, auch viele kleine Unverpackt-Läden kämpfen ums Überleben. Und das Branchenfachblatt »Lebensmittel Zeitung« warnte: »Der Ausleseprozess hat gerade erst begonnen.«
»Wenn man nur die Zahlen der Fachmärkte sieht, könnte man den Eindruck haben, Bio spiele angesichts der hohen Inflation keine so große Rolle mehr im Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher. Aber das ist nicht wahr«, sagte Kecskes. Bio gewinne sogar weiter Marktanteile. Doch die Menschen hätten ihre Einkaufsverhalten deutlich geändert, um angesichts der gestiegenen Preise ihre Wünsche nach einem nachhaltigen Konsum mit ihrem kleiner werdenden finanziellen Spielraum unter einen Hut zu bringen.
Bereits seit Ende des letzten Jahres ist Kecskes zufolge zu beobachten, dass die Menschen weniger in den häufig als hochpreisig empfundenen Bio-Fachgeschäften einkaufen und stattdessen günstigere Alternativen suchen. Schritt für Schritt hätten Verbraucherinnen und Verbraucher Bio-Einkäufe in die klassischen Supermärkten wie Rewe oder Edeka verlagert.
Verbraucher wollen es günstiger
»Jetzt sehen wir aufgrund der starken Preiserhöhungen die nächste Stufe«, sagte Kecskes. Beim Einkauf im Supermarkt werde immer öfter vom Bio-Markenprodukt zur Bio-Handelsmarke gewechselt. Oder die Bioprodukte würden gleich beim Discounter einkauft. »Die Verbraucher kaufen weiter Bio ein, aber eben günstiger.«
Das bekommen auch die Markenartikelhersteller im Bio-Bereich zu spüren. Zwischen Juni 2021 und Juni 2022 büßten sie laut GfK rund 8,9 Prozent ihrer Umsätze ein, während die Eigenmarken der Handelsketten um 9 Prozent zulegten.
Tatsächlich müssen viele Verbraucher sparen. Schließlich waren Lebensmittel nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes im September durchschnittlich um 18,7 Prozent teurer als noch ein Jahr zuvor. Und auch das Heizen, das Tanken und der Strom wurden deutlich teuerer.
Sollten sich die finanziellen Probleme der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland in den nächsten Monaten weiter zuspitzen, droht der Bio-Branche nach Einschätzung von Kecskes weiteres Ungemach. Noch versuchten viele Menschen weiterhin Bio-Produkte zu kaufen, indem sie auf günstigere Angebote auswichen. Doch es könne der Punkt kommen, an dem so mancher angesichts knapper Kassen ganz darauf verzichten müsse.
Doch selbst wenn sich die finanzielle Situation der Menschen in absehbarer Zeit wieder verbessern sollte, dürfte es für die Fachmärkte und die Markenartikelhersteller nach Einschätzung von Kecskes nicht einfach werden, die verlorenen Kunden zurückzugewinnen. Im Gegenteil: »Wenn die Menschen mit den günstigeren Handelsmarken und Discounterprodukten, die sie jetzt kennengelernt haben, zufrieden sind, ist das eine echte Herausforderung.«
Statistisches Bundesamt zur Preisentwicklung
GfK zur Entwicklung bei Handelsmarken
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