Der Glaube an die Fürsorge des Staates bremst nach Ansicht des Frankfurter Bankiers Emmerich Müller das notwendige Umdenken in der Altersvorsorge in Deutschland.
»Ich glaube schon, dass wir als Gesellschaft irgendwann vernünftig werden und den Weg der kapitalgedeckten Altersvorsorge einschlagen werden. Aber das wird noch Zeit brauchen, insbesondere bis wir, die verwöhnten Babyboomer, an Einfluss verlieren«, sagte der Vorstand des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. AG der dpa.
»Die junge Generation steht dem Thema kapitalgedeckte Altersvorsorge wesentlich offener gegenüber als die ältere Generation.« Jüngere Menschen können sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie im Alter ausreichend gesetzliche Rente bekommen und sind gezwungen, stärker privat Geld zurückzulegen zum Beispiel über Aktiensparpläne.
»Generationenungerechtigkeit«
»Mein Eindruck ist, dass eine junge Generation in Teilen realistischer an die Fragestellung der Vorsorge herangeht«, sagte Müller. »Wir Älteren sind über Jahrzehnte sozialisiert worden mit dem Versprechen: Der Staat wird schon alles richten. Was dazu geführt hat, dass wir immer mehr Lasten der Zukunft auf die jüngere Generation verlagert haben. Wir versprechen uns die Renten, die die Jugend zahlen muss. Das ist eine Frage der Generationenungerechtigkeit.«
Ein Hauptproblem in Deutschland sei, »dass wir seit Jahrzehnten einen Großteil der Bevölkerung nicht an der positiven Entwicklung des Produktivvermögens teilnehmen lassen«, sagte Müller »Wir scheuen das vermeintliche Risiko. Dazu kommt: Eine Rentenerhöhung ist für Politiker einfacher zu vermitteln als eine mögliche Aktienrendite, die zum Beispiel ein Staatsfonds erzielen kann.«
Müller begrüßte in diesem Zusammenhang die Initiative der FDP-Bundesminister Christian Lindner (Finanzen) und Marco Buschmann (Justiz), mit verschiedenen Maßnahmen Aktien in Deutschland attraktiver zu machen. Die beiden Minister hatten Ende Juni unter dem Titel »Zukunftsfinanzierungsgesetz« Eckpunkte für eine Modernisierung des Kapitalmarktes vorgelegt.
»Die Stoßrichtung ist absolut richtig, aber es ist ein langer Prozess«, sagte Müller dazu. »Wir sind zwar aufgeschlossener als noch vor 10 oder 20 Jahren, aber immer noch weit entfernt von einer allgemeinen Aktienkultur in Deutschland.«
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