Knapp ein Jahr nach dem Verkauf an einen chinesischen Investor ist der Automobilzulieferer Allgaier zahlungsunfähig. Das bestätigte Sprecherin des zuständigen Amtsgerichts in Göppingen. Der Insolvenzantrag wurde demnach am Montag gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Stuttgarter Rechtsanwalt Fritz Zanker bestellt. Die Allgaier Werke GmbH hat ihren Sitz im schwäbischen Uhingen. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet.
Die genauen Gründe für die Zahlungsunfähigkeit waren zunächst nicht bekannt. Insolvenzverwalter Zanker sprach nur sehr von allgemein von »Liquiditätsschwierigkeiten«. Allgaier hatte nach früheren Angaben mit den Folgen des Ukraine-Kriegs, steigenden Preisen für Energie und Logistik sowie höheren Personalkosten zu kämpfen. Außerdem war die Nachfrage im der Sparte Automobilzulieferung gesunken.
»Wir verschaffen uns derzeit einen umfassenden Überblick über die aktuelle Lage. Der Geschäftsbetrieb läuft weiter«, wird Zanker in einer Mitteilung der Sanierungs- und Restrukturierungsgesellschaft Pluta zitiert. Die Kunden von Allgaier werden demnach wie gewohnt beliefert. In den kommenden Tagen wollen Zanker und sein Team nun Gespräche mit Kunden und Lieferanten führen sowie die finanzielle Situation und alle Sanierungsoptionen analysieren. Darüber hinaus wolle man einen Investorenprozess starten, hieß es.
Krise seit mehreren Jahren
Bei dem Autozulieferer und Spezialisten für Verfahrenstechnik kriselt es bereits seit mehreren Jahren. Von 2020 bis 2022 stand der Firma eine Restrukturierung ins Haus. Diese wurde von der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Lieferengpässen etwa bei Rohstoffen sowie durch den Angriffskrieg in der Ukraine erschwert.
Vor knapp einem Jahr übernahm dann die chinesische Westron Group mehrheitlich das Unternehmen. Zuvor war die Familie des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt Hauptanteilseigner. Noch im November hatte Allgaier berichtet, dass durch den Einstieg von Westron die finanzielle Stabilität wiederhergestellt worden sei.
Der Insolvenzantrag gilt Pluta zufolge für die Holdinggesellschaft der Gruppe. Für die in Deutschland tätigen Tochterfirmen sollen in Kürze aber ebenfalls Insolvenzanträge gestellt werden. Das betreffe unter anderem die Allgaier Automotive GmbH und die Allgaier Process Technology GmbH, hieß es. Die ausländischen Gesellschaften befinden sich demnach nicht in einem Insolvenzverfahren.
1600 Beschäftigte in Deutschland
Der Konzern beschäftigt in Deutschland rund 1600 Menschen. Ihre Löhne und Gehälter sind für drei Monate durch das Insolvenzgeld gesichert. Weltweit arbeiten nach Angaben von Zanker insgesamt rund 2000 Menschen in der Gruppe.
Allgaier hat zwei Sparten: Zum einen fertigt das Unternehmen unter anderem Karosserieteile und zugehörige Werkzeuge sowie Tanksysteme für die Autoindustrie. Im Bereich Verfahrenstechnik ist Allgaier spezialisiert auf Systeme zum Waschen, Trocknen, Kühlen, Sieben und Sortieren von Schüttgut.
Die Autozulieferer stehen durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die Folgen des Ukraine-Kriegs vor immensen Herausforderungen. Vor allem durch stark gestiegene Kosten und Lieferprobleme. Zudem müssen sie die Transformationen zur Elektromobilität managen. Im Gegensatz zu den Herstellern, die häufig die Preise für ihre Autos erhöhen, können sie diese Kosten aber nicht so gut weitergeben.
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