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Ausreisesperre gegen Ex-Automanager Ghosn

Der frühere Autoboss Carlos Ghosn sieht sich als unschuldiges Opfer einer politisch motivierten Verschwörung in Japan. Der dortigen Justiz ist er entkommen. Jetzt sitzt er aber im Libanon fest.

Zeitungen in Beirut
Berichte über den Fall Ghosn in libanesischen Tageszeitungen am Tag nach der Pressekonfeerenz in Beirut. Foto: -/kyodo/dpa
Berichte über den Fall Ghosn in libanesischen Tageszeitungen am Tag nach der Pressekonfeerenz in Beirut. Foto: -/kyodo/dpa

Beirut/Tokio (dpa) - Nach seiner spektakulären Flucht aus Japan ist der Ex-Automanager Carlos Ghosn im Libanon zwar ein freier Mann, darf das Land aber vorerst nicht verlassen.

Die dortigen Behörden verhängten gegen den 65-Jährigen eine Ausreisesperre und nahmen ihm seinen französischen Pass ab, wie es am Donnerstag aus Justizkreisen in der Hauptstadt Beirut hieß. Ghosn dürfte das zunächst nicht weiter stören, da er wegen eines Fahndungsersuchens der internationalen Polizeibehörde Interpol ohnehin kaum in andere Länder reisen könnte. Japan verlangt vom Libanon, ihn zu verhaften und auszuliefern. In einem TV-Interview sagte Ghosn, er habe ohnehin im Libanon bleiben wollen.

Der aufsehenerregende Fall um den früheren Chef des französisch-japanischen Autobündnisses Renault-Nissan-Mitsubishi hatte erst am Mittwoch einen neuen Höhepunkt erreicht. Erstmals seit seiner Flucht aus Japan - angeblich in einer Kiste - trat Ghosn in der Öffentlichkeit auf und geißelte die japanische Justiz in einer Wutrede. Vor Journalisten in Beirut warf er ihr vor, ein politisch motiviertes Verfahren gegen ihn zu führen, um eine engere Anbindung von Nissan an Renault zu verhindern.

Ghosn beklagte eine »Verschwörung« gegen ihn, die schlechten Haftbedingungen und stundenlange Verhöre ohne Anwalt. Er sei als Geisel eines Landes gehalten worden, dem er jahrelang gedient habe.

Der Ex-Top-Manager war am 19. November 2018 in Tokio unter anderem wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Im April 2019 wurde er unter strengen Auflagen auf Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen. Ghosn floh Ende Dezember in einem Privatjet nach Beirut, angeblich in einer Kiste versteckt. In Beirut wollte Ghosn zu diesem Punkt aber nichts preisgeben - aus Sorge um die Menschen, die ihm geholfen hätte, wie er beteuerte.

Einen Tag nach diesem Auftritt musste Ghosn beim Generalstaatsanwalt in Beirut erscheinen, wo er Justizkreisen zufolge mehr als eine Stunde befragt wurde. In Begleitung seines Anwalt betrat er das Justizgebäude durch einen Hintereingang, um wartenden Journalisten zu entgehen. Die Ausreisesperre soll in Kraft bleiben, bis der Libanon die Justizakten aus Japan bekommt. Ghosn soll mit dem eingezogenen französischen Pass in den Libanon eingereist sein. Er besitzt auch die libanesische und die brasilianische Staatsbürgerschaft.

Japan reagierte nach seine Wutrede in Beirut prompt und wies die Vorwürfe vehement zurück. Seine »einseitigen« Darstellungen hätten sein Verhalten nicht rechtfertigen können, sagte Japans Justizministerin Masako Mori. Sie verteidigte Japans Rechtssystem. Es sehe angemessene Verfahren vor und werde entsprechend gehandhabt.

Seine illegale Ausreise könne »niemals vergeben werden«, ganz gleich unter welchem Justizsystem, sagte Mori. Ghosn habe falsche Behauptungen über das Rechtssystem ihres Landes verbreitet, um sein eigenes Verhalten zu rechtfertigen.

In einem Interview mit dem libanesischen TV-Sender LBC nannte Ghosn die Aussage der japanischen Justizministerin am Donnerstag »total lächerlich«. Er sei nicht in den Libanon gekommen, um das Land wieder zu verlassen, erklärte er zur Ausreisesperre. Er fühle sich mit der libanesischen Justiz wohler als mit der japanischen und werde mit ihr vollständig kooperieren.

Ghosn sprach in seiner Wutrede auch von langer Einzelhaft, während der er seine Frau kaum habe sehen dürfen. Nur 30 Minuten am Tag durfte er demnach an die frische Luft. Duschen sei nur zweimal in der Woche erlaubt gewesen. Dazu stundenlange Befragungen ohne Anwalt. Mit dieser in Japan üblichen Taktik sollen Angeklagte wie Ghosn nach Meinung von Kritikern unter Druck gesetzt werden, bis sie ein Geständnis unterzeichnen. Kritiker sprechen von »Geisel-Justiz«.

Japans Regierungssprecher Yoshihide Suga verteidigte das Rechtssystem. Grundlegende Menschenrechte würden respektiert, Verfahren seien angemessen. Es könne auch überhaupt nicht sein, dass sich Japans Staatsanwaltschaft an »irgendeiner Art Verschwörung« beteilige, sagte Justizministerin Mori. Auch die Staatsanwaltschaft des Landes wies Ghosns Vorwürfe als »kategorisch falsch« zurück.

Wenn Ghosn irgendwas zu seinem strafrechtlichen Verfahren zu sagen habe, könne er seine Argumente vor einem japanischen Gericht vortragen und konkrete Beweise vorlegen, erklärte Mori. Doch dass Ghosn wieder nach Japan zurückkehrt, gilt als unwahrscheinlich, da es zwischen dem Libanon und Japan kein Auslieferungsabkommen gibt.