KARLSRUHE. Autofahrer, die ein vom VW-Dieselskandal betroffenes Auto geleast haben, können wohl nicht auf Schadenersatz hoffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe machte sehr deutlich, dass Leasing nach ersten Erwägungen des Senats grundsätzlich anders zu bewerten sei als der Kauf eines Wagens mit der manipulierten Abgastechnik.
Mit der Entscheidung für Leasing erwerbe man das Recht, das Auto über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu fahren - genau dieses Recht habe der Kläger auch uneingeschränkt ausüben können, so die Richter. Das Unternehmen - die Klage richtet sich direkt gegen Audi - könne deshalb vermutlich nicht verpflichtet werden, die Leasingraten zurückzuerstatten. Verkünden will der BGH am 16. September.
Gericht trifft Grundsatzentscheidung
Damit steht eine Grundsatzentscheidung bevor, wie ein BGH-Sprecher erläuterte. Das Gericht hatte sich am Donnerstag erstmals auch mit dieser speziellen Frage befasst. Laut VW ist der Ausgang relevant für eine vierstellige Zahl von Verfahren. (Az. VII ZR 192/20).
Geklagt hatte ein Mann aus dem Ostalbkreis: Er hatte 2009 einen Audi mit dem Skandalmotor EA189 vier Jahre lang geleast. Nach Ablauf der Leasingzeit kaufte er den Wagen. Er möchte nicht nur das Geld für die Raten zurück, sondern auch den Kaufpreis abzüglich Wertverlust wiederhaben. Der BGH machte dem Mann auch in diesem Punkt keine großen Hoffnungen. Ob Audi als Konzerntochter von VW überhaupt vom Betrug Kenntnis gehabt habe, sei in der Vorinstanz nicht ausreichend dargelegt worden. Die Anwälte von Audi zeigten sich mit Blick auf die BGH-Ausführungen erfreut. Zum einen habe Audi von den manipulierten Motoren nichts gewusst. Zum anderen seien Ansprüche auf Erstattung von Leasing-Raten abwegig.
VW hat Kunden systematisch getäuscht
»Hätte ich geahnt, dass der Motor manipuliert ist, hätte ich den Wagen damals weder geleast noch gekauft«, sagte der 45-jährige Kläger im Anschluss an die Verhandlung. Er hoffe darauf, wenigstens im Bezug auf den Kaufpreis nicht leer auszugehen. »Wir geben da noch nicht auf«, sagte seine Anwältin Monika Buchholz-Duffner. Sie hatte vehement bezweifelt, dass Audi nichts wusste von der illegalen Abschalteinrichtung. Die Vorinstanz hatte dem Kläger Schadenersatz für den Kauf zugesprochen, eine Erstattung von Leasingraten aber ebenfalls verneint.
In ihrem ersten und wichtigsten Urteil zum Abgasskandal hatten die BGH-Richter im Mai 2020 entschieden, dass VW seine Kunden systematisch getäuscht hat: Hätten sie gewusst, dass die Diesel-Autos mit dem Motor EA189 viel mehr Schadstoffe ausstießen als auf dem Prüfstand messbar, hätten sie sich vermutlich für ein anderes Fahrzeug entschieden. In den meisten Fällen haben Kläger deshalb das Recht, ihr Auto zurückzugeben. Sie bekommen aber nicht das komplette Geld wieder, sondern müssen sich die Nutzung anrechnen lassen.
Wie es sich mit Konzerntöchtern wie Audi verhält, ist noch nicht grundsätzlich geklärt. Zu zahlreichen anderen speziellen Konstellationen im Zusammenhang mit dem Skandal hat der BGH bereits Stellung bezogen - etwa zum Thema Schadenersatz beim Autoverkauf, zur rückwirkenden Verzinsung des Kaufpreises oder zur Verjährung.
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