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Özdemir sichert Bauern Verlässlichkeit zu

Beim Bauerntag stellt sich die Politik demonstrativ vor die Landwirte, die mit Klimawandel, höheren Anforderungen an das Tierwohl und veränderten Ernährungsgewohnheiten klar kommen müssen.

Cem Özdemir
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beim Deutschen Bauerntag in Münster. Foto: Guido Kirchner/DPA
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beim Deutschen Bauerntag in Münster.
Foto: Guido Kirchner/DPA

Bundesagrarminister Cem Özdemir hat den Landwirten Verlässlichkeit und eine begleitende Finanzierung bei der Umstellung zu mehr Klima- und Tierschutz zugesichert. Es gelte, Veränderungen auf den Weg zu bringen, um Lebensgrundlagen und Wirtschaftlichkeit zu bewahren, sagte der Grünen-Politiker beim Deutschen Bauerntag in Münster. »Aber doch bitte nicht mit dem Fallbeil.«

Es gehe nur Schritt für Schritt sowie mit Planungssicherheit und guten Kompromissen. Die Tierhaltung könne nur krisenfest sein, wenn sie in Zukunft stärker klima- und tiergerecht sei und wenn gleichzeitig die Landwirtinnen und Landwirte eine wirtschaftliche Perspektive haben.

Die Haltungskennzeichnung soll kommen

Zur Wahrheit gehöre, dass man nötige Veränderungen schon vor einigen Jahren unter leichteren Umständen hätte machen können, sagte Özdemir mit Blick auf unionsgeführte Bundesregierungen. Nun werde der Umbau der Tierhaltung mit dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung endlich angepackt. Der Minister bekräftigte, dass diese nach dem geplanten Start zunächst mit Schweinefleisch zügig ausgeweitet werden soll. Er kämpfe auch in der Koalition dafür, dass »so viele Mittel wie möglich« bereitgestellt würden, um Bauern bei Mehrkosten für bessere Haltung zu unterstützen. »Jeder Cent, der da angelegt ist, ist gut angelegtes Geld.«

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hob in einer Videobotschaft die Bedeutung der Landwirtschaft hervor. Die Landwirte seien es, die die Bevölkerung verlässlich mit Lebensmitteln versorgten. Für die Bundesregierung sei klar, dass Landwirte von ihrer Arbeit leben können müssten. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) stellte sich in seiner Rede demonstrativ vor die Landwirte und forderte, Probleme beim Flächenfraß, Gewässerschutz, Tierwohl und Ernährungssicherheit im Dialog mit der Politik anzugehen.

Kein Kulturkampf bei der Ernährung

Özdemir sagte, im vergangenen Jahrzehnt habe die Tierhaltung »einen brutalen Strukturbruch« erlebt. Zwischen 2010 und 2020 habe sich die Zahl der schweinehaltenden Betriebe auf 32 000 fast halbiert. Er arbeite seit seinem Amtsantritt dafür, den Tierhaltern wieder eine Perspektive zu geben. »Wer Freund der Bauern und Freund der Tiere ist, der stärkt mir beim Umbau den Rücken.« Özdemir hob den ersten Schritt eines Tierhaltungslogos hervor, das vom Bundestag beschlossen wurde. »Mit der Kennzeichnung schaffen wir die Voraussetzung, die Leistung der Bauern für mehr Tierwohl sichtbar zu machen.«

Özdemir äußerte sich besorgt über eine vielfach aufgeheizte Stimmung etwa bei Ernährungsthemen. Momentan habe er den Eindruck, dass eigentlich lösbare Meinungsverschiedenheiten oft das Potenzial hätten, »zum Kulturkampf hochgejazzt zu werden«. Er warne vor »dieser Polarisierung, auf der kein Segen liegt«, sagte Özdemir auch mit Blick auf Debatten über angebliche Fleischverbote. Von ihm aus könne jeder so viel Fleisch essen, wie er wolle: »Morgens, mittags, abends ausschließlich Fleisch. Das darf jeder. Ob es einem zwingend immer gut bekommt, das steht auf einem anderen Salatblatt.«

Wertschätzung der Landwirtschaft wird betont

In den Verhandlungen zum Bundeshaushalt sei es gelungen, dass vorgesehene Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) »um die Hälfte reduziert werden konnten«, sagte Özdemir weiter. Damit werden Maßnahmen zur Entwicklung ländlicher Gebiete gefördert. Er verlangte zugleich: »Es muss jetzt langsam mal ein Ende damit haben, dass die Kürzungen vor allem immer den ländlichen Raum treffen.« Wenn man Zusammenhalt stärken und verhindern wolle, dass Themen wie Land und Stadt oder Zugewanderte und Einheimische von Radikalen zugespitzt würden, brauche es mehr Lobby für ländliche Räume in der Politik.

Wüst betonte, bei der Wertschätzung für die Landwirtschaft seien sich immer alle einig. »Aber es geht um die Preise im Handel. Deshalb müssen wir die Landwirte mit Wettbewerbs- und Kartellrecht unterstützen, damit die Preise stimmen«, sagte er. Beim Thema Tierwohl warnte der Chef einer schwarz-grünen Landesregierung vor Scheinlösungen. Wenn frische Frühstückseier aus guter Haltung kommen, bei der Weiterverarbeitung in der Industrie die Eier aber aus dem Ausland und dort aus enger Käfighaltung stammen, sei das nicht gut. Er forderte gleiche europaweite Wettbewerbsbedingungen.

Im nächsten Jahr ist Cottbus in der Lausitz der Austragungsort des Deutschen Bauerntages. Das gab der Landesbauernverband Brandenburg bekannt.

© dpa-infocom, dpa:230629-99-230084/3