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Zufallsopfer in Drogenkonflikt: Zehnjähriger erschossen

Erschütternde Eskalation im Drogenkrieg: In Nîmes wird ein Zehnjähriger auf der Rückbank eines Autos erschossen. Frankreichs Polizei will nun mit Spezialkräften durchgreifen. Ob das hilft?

Kind stirbt bei Drogenkonflikt in Südfrankreich
Nach Schüssen unter Drogendealern steht ein Polizist Wache bei einer Demonstration von Bewohnern des unterprivilegierten Stadtteils Pissevin. Foto: Pascal Guyot/DPA
Nach Schüssen unter Drogendealern steht ein Polizist Wache bei einer Demonstration von Bewohnern des unterprivilegierten Stadtteils Pissevin.
Foto: Pascal Guyot/DPA

Bei einer Auseinandersetzung im Drogenmilieu ist in der südfranzösischen Großstadt Nîmes ein unbeteiligter Zehnjähriger erschossen worden. Es ging offenbar um eine Abrechnung zwischen Drogenhändlern, wie Innenminister Gérald Darmanin am Dienstag mitteilte. »Dies ist ein riesiges Drama, das nicht ungestraft bleiben wird. Die Polizei hat in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Drogenhändler festgenommen und wird ihre Präsenz mit aller Entschlossenheit verstärken«, kündigte der Minister an.

Die Staatsanwaltschaft in Nîmes bestätigte, dass nach einer Schießerei im Viertel Pissevin im Westen der Stadt ein zehnjähriges Kind ums Leben gekommen sei. Außerdem sei ein Mann Opfer der Schüsse geworden. Er befinde sich nicht mehr in Lebensgefahr. Der Schütze wurde bislang noch nicht gefasst.

Wie die Zeitung »Le Monde« berichtete, saß der Junge am späten Montagabend auf der Rückbank des Autos eines Onkels, als es in dem Hochhausviertel zu einer Schießerei kam. Der Onkel sei verletzt worden und sei mit dem Auto zum Krankenhaus gefahren, der Junge aber sei auf dem Weg dorthin gestorben. Ein weiteres Kind, das sich im Auto befand, sei unverletzt geblieben.

Ausufernde Drogengewalt

Staatsanwältin Cécile Gensac sagte, die Familie der Opfer sei bislang in keiner Weise bei der Justiz bekannt gewesen. »Sie hat das Pech gehabt, sich zum falschen Moment am falschen Ort befunden zu haben.« Die Familie gehöre zu den Bewohnern des Viertels, deren Alltagsleben es gelte zu schützen und die heute eine absolute Tragödie erlebt habe. Polizeipräfekt Jérôme Bonnet sagte, das Viertel, in dem es zu den Schüssen kam, leide unter der Drogenkriminalität. An den drei vergangenen Abenden habe es dort Schießereien gegeben.

Spezialkräfte der Bereitschaftspolizei (CRS 8) würden nun nach Nîmes beordert, um gegen den Drogenhandel vorzugehen, berichtete der Sender BFMTV. Seit kurzem sind diese auch im nahen Marseille im Einsatz, um den Drogenhandel dort einzudämmen. Drogenbanden dominieren in Frankreichs zweitgrößter Stadt ganze Wohnviertel, regelmäßig gibt es tödliche Abrechnungen mit in diesem Jahr bereits 36 Toten. Alleine binnen zwei Wochen gab es im Sommer sieben Tote bei Konflikten rivalisierender Banden. Zufallsopfer wie in Nîmes sind auch in Marseille keine Seltenheit, im Mai wurde eine fünffache Mutter erschossen.

Gegen die ausufernde Drogengewalt, die außer in Paris oder Marseille auch in mittelgroßen Städten um sich greift, soll in Frankreich nun schweres Geschütz aufgefahren werden. Zur ohnehin aufgestockten Polizeipräsenz in den Vierteln, in denen die Beamten oft nur mit Mühe Recht und Gesetz durchsetzen können, kommen nun Elitepolizisten, die besonders im Kampf gegen urbane Gewalt trainiert sind. Die rund 200 Beamtinnen und Beamten der Einheit CRS 8 werden zu Problemlagen in ganz Frankreich geschickt. Frühere Einsätze in Marseille führten aber nicht zu einer dauerhaften Besserung der Lage dort.

© dpa-infocom, dpa:230822-99-915640/4