Regen ohne Ende, Schlamm in Massen: Das Heavy-Metal-Festival im schleswig-holsteinischen Wacken verlangt den Metalheads derzeit viel Standfestigkeit ab. Mühsam waten die Fans am zweiten Festivalmorgen durch Traktorspuren - so tief ist der Schlamm auf einer der Campingflächen. Kommen andere Besucher entgegen, wird es eng in der Matschschneise.
Zwei Frauen kämpfen sich langsam durch knöcheltiefen Morast. Der Weg zum Zelt ist beschwerlich. »Wir machen das Beste draus, würde ich sagen«, sagt Jaqueline aus Köln. Mittlerweile sei es mit dem Schlamm echt anstrengend. »Wir kommen gerade von der Dusche und wir sind schon wieder am Schwitzen, weil wir da durch müssen.« Auch vor den Bühnen sei das Tanzen schwierig. »Moshpit schwierig.«
Der viele Regen der vergangenen Tage hat weite Teile des Areals in Wacken in Schlamm verwandelt. Wegen des schlechten Zustands der Campingflächen verhängten die Veranstalter kurz vor offiziellem Start am Mittwoch erstmalig in der Festivalgeschichte einen Einlassstopp. Viele der 85 000 erwarteten Besucher mussten wieder abreisen. Nach Polizeischätzung befinden sich etwa 50 000 Menschen auf dem Gelände, 60 Prozent der Campingflächen seien belegt.
Erfinderische Metalheads
Regen und Schlamm hat es in der Geschichte des Wacken Open Air auch in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben. Dieses Jahr traf es die Veranstalter und Besucher aber richtig arg und direkt beim Aufbau beziehungsweise bei der Anreise. Doch die Metalheads, wie sich die Fans in Wacken selbst nennen, sind erfinderisch. Einige Frauen nutzen etwa Klebeband, damit von oben kein Schlamm in die Gummistiefel flutschen kann.
2016 war das Hurricane-Festival in Niedersachsen wegen Unwettern unterbrochen worden. Aus dem Matsch auf dem Gelände in Scheeßel machten einige Gäste aber das Beste draus: Während die einen ihre Zelte abbauten, feierten andere Schlammschlachten und Partys. Im selben Jahr musste nach einem Wetter-Chaos auch Rock am Ring in der Eifel frühzeitig beendet werden. Der Heimweg vom Flugplatz Mendig, auf dem das Festival stattfand, gestaltete sich damals besonders schwierig: Autos blieben im Schlamm stecken.
Recht frische Schlamm-Erinnerungen hat Wacken-Besucher Axel. Der Metalfan war Ende Juli auf dem Deichbrand-Festival im niedersächsischen Cuxhaven. »Da war es schon auch schlammig, aber das ist noch mal eine andere Nummer«, sagt der Kieler. Aus seiner Sicht hilft in Wacken nur eines: »Gummistiefel, die Dinger sind Gold wert.« Ohne sie gehe einfach gar nichts. Für ihn geht es am Donnerstag darum, ins Dorf zu gelangen, Bier zu kaufen und das irgendwie durch den Schlamm zum Zelt zu bringen.
Ein Besucher: »Machen wir das Beste draus«
Michael aus Mecklenburg-Vorpommern findet ein Festival mit so viel Schlamm »schon ein bisschen eklig«. Doch er lacht. »Ich denke mal deswegen haben sie auch keinen mehr drauf gelassen, wegen der Sicherheit auch. Wenn da mal Panik ausbricht, dann kommt ja keiner mehr weg.« Beim Konzert der Broilers am Mittwochabend sei es ein bisschen komisch gewesen, »dass man hängen bleibt mit den Füßen«. Aber die Stimmung sei super. »Machen wir das Beste draus bis Samstag.«
Es gibt aber auch Menschen, die sich richtig gerne in schmutzige Angelegenheiten werfen. In ganz Deutschland finden regelmäßig etwa sogenannte Mud Runs statt. Das sind Hindernisläufe durch Matsch und Gelände. Die Läuferinnen und Läufer nennen sich auch »Mudder« und sind am Ende nicht nur verschwitzt, sondern auch ziemlich dreckig. Schlimm ist das natürlich nicht, es kann sogar auch gesund sein.
Bagger im Einsatz
Unterdessen entfernt in Wacken ein Bagger vor den Hauptbühnen Schlammmassen. Ein Verkäufer macht den Weg vor seinem Stand mit einer Schaufel frei. »Damit die Leute eventuell in unsere Richtung laufen«, sagt sein Kollege. »Und nicht in großem Bogen ums uns herum.« An anderer Stelle sitzen Festivalbesucher in einem bunten Planschbecken im Schlamm vor einem Karaoke-Container und hören singenden Metalheads zu.
Mit einer Tasche voll Wasser und Gemüse fürs Frühstück schleppt sich der Würzburger Kevin durch den Schlamm. »Sehr matschig und anstrengend vor allem«, kommentiert er den Zustand des Geländes. »Aber es macht trotzdem Spaß.« Auf dem Hinweg habe er es ohne Hilfe aufs Gelände geschafft. Er mache sich aber Gedanken, wie er wieder wegkomme. Das Wacken Open Air endet in der Nacht zum Sonntag. »Ich bin auch am überlegen, ob ich vielleicht schon Samstagmittag losfahre, weil, wer weiß, ob man überhaupt noch runterkommt dann.«
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