Ein tödliches Minenunglück in der Türkei hat mindestens 41 Bergleute das Leben gekostet. »Wir sind als Nation sehr traurig«, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag.
Der Unfall am Freitag in der Schwarzmeer-Provinz Bartin rund 300 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Ankara stellt einen der schwersten Industrieunfälle in der jüngeren Geschichte des Landes dar.
Am Sonntag wurden die letzten sechs der Todesopfer beerdigt. 35 waren bereits am Vortag zu Grabe getragen worden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Zahlreiche Kumpel waren in Folge einer Explosion in 300 Metern Tiefe in einem Kohlebergwerk eingeschlossen oder getötet worden. Am Samstag war der letzte Vermisste der insgesamt 110 Kumpel, die zum Zeitpunkt der Explosion unter Tage waren, tot geborgen worden. Elf waren bei der Explosion gegen 18.15 Uhr (Ortszeit) verletzt worden, 58 Bergleute konnten nach Angaben von Innenminister Süleyman Soylu gerettet werden.
Der Rechnungshof hatte 2019 gewarnt
Der Unfall ereignete sich mutmaßlich durch eine Grubengasexplosion, so Energieminister Fatih Dönmez. Die Ermittlungen dazu liefen, so Erdogan. Den Hinterbliebenen versprach der Präsident finanzielle Hilfe.
Die Anlage ist eine von fünf staatlich betriebenen Minen. Abgeordnete der größte Oppositionspartei CHP kritisierte infolge des Vorfalls, Behörden hätten einen Bericht des Rechnungshofs aus dem Jahr 2019 ignoriert, in dem vor der Gefahr einer Grubengasexplosion durch hohe Methangaswerte in der Mine gewarnt worden sei.
Erdogan sagte, »Wir glauben an Schicksal (...). Solche Unfälle werden immer passieren, egal, was man tut«. Seiner Darstellung zufolge wurden in der Mine die fortschrittlichsten Systeme eingesetzt. Die Zeitung »Birgün« titelte daraufhin: »Nicht Schicksal, sondern Massaker«.
»Schleppten die toten Körper unserer Kollegen«
Kumpel, die in der Mine arbeiteten, als sich der Unfall zutrug, berichteten von schrecklichen Szenen: »Mit einer gewaltigen Explosion brach alles zusammen, ich konnte gerade noch entkommen«, schilderte Minenarbeiter Aydın Kalaycı der staatsnahen Nachrichtenagentur Demirören Haber Ajansi. »Wir schleppten die toten Körper unserer Kollegen«, sagte ein anderer Arbeiter.
Fernsehbilder zeigten einen geretteten Minenarbeiter, der sich weigerte, ins Krankenhaus gebracht zu werden. »Lassen Sie mich, mir geht es gut, ich will zurück«, sagte er und schloss sich nach kurzer Behandlung den Rettungsteams an, wie Aufnahmen des Senders HaberTürk zeigten. Einige der Schwerverletzten wurden in Krankenhäuser in Istanbul und Ankara gebracht, wie staatliche Medien berichteten.
Nach dem Unglück wurden die 41 Todesopfer inzwischen beerdigt. Fünf Kumpel seien weiter in kritischem Zustand, so der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Insgesamt würden sechs Verletzte in Istanbuler Krankenhäusern und drei in der Schwarzmeerregion in Bartin behandelt. In der Mine laufen unterdessen weiter die Löscharbeiten, berichtete der staatliche Nachrichtensender TRT.
Teils mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen
In den vergangenen Jahren gab es bereits mehrere schwere Minenunglücke in dem Land, teils wegen mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen. 2014 starben bei einer Explosion in einer Kohlemine in der Provinz Manisa in der Ägäis-Region insgesamt 301 Menschen. Auch damals geriet Erdogan, zu der Zeit Premierminister, in die Kritik, nachdem er Minenunfälle als in der Natur der Sache liegend bezeichnet hatte.
Aus zahlreichen Ländern kamen Beileidsbekundungen über die Sozialen Medien. Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis etwa, der sich mit Erdogan in jüngerer Zeit wegen diverser politischer Differenzen einen harschen Schlagabtausch geliefert hatte, twitterte sein Beileid. »Traurig, von der schrecklichen Minenexplosion und dem Verlust von Menschenleben in der Provinz Bartin in der Türkiye zu hören. Griechenland ist bereit, sofort Hilfe zu schicken, um bei der Suche nach Überlebenden zu helfen.«
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