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Wie konnte es zur Tragödie von Rickenbach kommen?

Rickenbach (dpa/lsw) - Bei einem schweren Unwetter im südbadischen Rickenbach stürzt ein Baum auf ein Zelt. Ein 15 Jahre alter Junge stirbt, weitere Teenager werden verletzt. Wie konnte es zu der Tragödie kommen?

Polizisten nehmen ein beschädigtes Zelt auf dem Gelände eines Jugendzeltlagers bei Rickenbach in Augenschein.
Polizisten nehmen ein beschädigtes Zelt auf dem Gelände eines Jugendzeltlagers bei Rickenbach in Augenschein. Foto: dpa
Polizisten nehmen ein beschädigtes Zelt auf dem Gelände eines Jugendzeltlagers bei Rickenbach in Augenschein.
Foto: dpa
An diesem Morgen weht kein Lüftchen auf dem Spiel- und Rastplatz am Rande des Schwarzwald-Örtchens Rickenbach. Aber welche Wucht das heftige Unwetter in der Nacht hatte, das ist auf schmerzhaft deutliche Weise zu sehen. Hinter dem Absperrband liegt der Länge nach ein Baum auf einem beigen Zelt, das teilweise in die Luft ragt. Ein 15 Jahre alter Junge starb, als der rund 30 Meter hohe Baum bei einem Sturm auf das Zelt krachte. Drei weitere Teenager im Alter von 13 und 14 Jahren wurden verletzt, einer davon schwer.

»Es ist furchtbar«, sagt Bürgermeister Dietmar Zäpernick (SPD) und schüttelt den Kopf. Direkt neben dem zerstörten Zelt liegen Schlafsäcke, Kleidungsstücke und Rucksäcke auf dem Boden. Ebenso wie die Rettungskräfte, die die Jugendgruppe nach dem Unglück betreuten, war auch der 53 Jahre alte Rathauschef in der Nacht hier.

Der erste Notruf kam kurz vor 2.00 Uhr morgens, wie Mathias Albicker von der Polizei sagt . Das schwere Unwetter war zu diesem Zeitpunkt mit Wucht über den Landkreis Waldshut gefegt. Am Unfallort versuchen die Ermittler, alles zu rekonstruieren. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich mittlerweile eingeschaltet. Die Jugendlichen waren Teil einer Gruppe - wahrscheinlich eines Sportvereins - aus Herrenberg, südwestlich von Stuttgart. Während ein Teil der Ausflügler in einem ;großen Lager blieb, hatten die Jugendlichen von dort aus eine Wanderung in den Schwarzwald unternommen. Wann genau, ist zunächst unklar.

Die Wanderer schlugen ersten Ermittlungen zufolge ihr Lager auf dem Spiel- und Rastplatz auf. Dort gibt es kaum Empfang für Handys. Ob eine herausgegebene Unwetterwarnung in der Nacht die Wanderer erreichte, ist fraglich. Ersten Ermittlungen zufolge hatten sich 17 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 13 und 16 Jahren auf dem Platz niedergelassen. Vier Betreuer waren dabei.

Einige der Wanderer schliefen in einer Schutzhütte - wenige Meter entfernt von dem zerstörten Zelt. Der Rest der Gruppe hielt sich im Zelt auf, als das Unwetter kam. Wie viele Menschen insgesamt im Zelt waren, war zunächst unklar. Weshalb die Jungen - laut Polizei handelte es sich ausschließlich um Jungen - nicht in der Schutzhütte Zuflucht suchten, blieb zunächst noch offen.

Die Polizei geht davon aus, dass ein Sturm den Baum zum Umstürzen brachte. Anzeichen eines Blitzeinschlags wurden zunächst nicht gefunden. Aller Wahrscheinlichkeit nach habe das Unwetter mit orkanartigen Böen einfach die Bäume mit Wucht getroffen und umgerissen, sagt ein Kriminaltechniker. »Momentan deutet alles auf höhere Gewalt hin.« Geprüft werde noch, ob der Baum einsturzgefährdet war, möglicherweise aufgrund einer Krankheit.

Und wieso schlugen die Jungen ihr Zelt in Reichweite der Bäume auf? Einen Steinwurf vom Unglücksort entfernt ist eine große Wiese. Sie wäre als Schlafplatz geeignet gewesen. Der Beamte nickt und blickt auf die Bäume im näheren Umkreis. »Aber wer rechnet schon damit, dass ein so großer Baum einfach umknickt?«, sagt er.

Am Himmel fliegt eine Drohne der Feuerwehr. Das Gerät sendet Bilder des Unfallorts aus der Vogelperspektive. Die Polizei wertet die Bilder aus. Beamte des Landeskriminalamts versuchen, mit modernen Geräten den Unglücksort per Laser-Scan zu vermessen. Am Ende soll eine dreidimensionale Darstellung weitere Hinweise über den Hergang in der Nacht liefern, sagt ein weiterer Beamter.

»Es muss schnell gegangen sein«, vermutet der Bürgermeister. Es komme immer wieder vor, dass sich überraschend extreme Unwetter über dem Hotzenwald bilden. Tatsächlich war der Spiel- und Rastplatz am Rande des Ortsteils Egg schon einmal Schauplatz eines todbringenden Naturereignisses.

Nicht weit vom eingestürzten Zelt erinnert ein Gedenkstein an einen Mann, der dort in den 1980er Jahren durch einen Blitzschlag ums Leben kam. Hier an der südlichsten Spitze des Südschwarzwalds könne es passieren, dass es an einer Stelle blitze, donnere und stürme - und tausend Meter weiter davon gar nichts zu spüren sei, sagt der Bürgermeister. Dann schüttelt er noch einmal den Kopf.