Angesichts der Einstufung des Affenpocken-Ausbruchs als internationale Notlage fordert eine Expertin, sich gegen künftige Epidemien besser zu wappnen.
»Unsere Welt wird immer anfälliger für Ausbrüche von Infektionskrankheiten«, erklärte Josie Golding, Chefepidemiologin der britischen Forschungseinrichtung Wellcome Trust. Die Einstufung sollte Regierungschefs an die derzeitigen Schwächen der Weltgemeinschaft erinnern, solchen Herausforderungen zu begegnen.
»Während die Affenpocken-Fälle weiterhin zunehmen und sich in mehr Ländern ausbreiten, stehen wir jetzt einer doppelten Herausforderung gegenüber: eine endemische Krankheit in Afrika, die seit Jahrzehnten vernachlässigt wird, und einem neuen Ausbruch, der marginalisierte Gruppen betrifft«, schrieb sie. Die internationale Zusammenarbeit müsse verstärkt werden. Die Forschung müsse klären, warum man bei den Affenpocken neue Übertragungsmuster sehe und was man dagegen unternehmen könne. »Wir können es uns nicht leisten, darauf zu warten, dass Krankheiten eskalieren, bevor wir eingreifen.«
Zuvor hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Affenpocken-Ausbruch zu einer »Notlage von internationaler Tragweite« erklärt - die höchste Alarmstufe, die sie ausrufen kann. Bis Samstag waren demnach mehr als 16.000 bestätigte Fälle in 75 Ländern und Territorien und bisher fünf Tote registriert.
Aktuell konzentriert sich der Ausbruch weitgehend auf Männer, die Sex mit Männern haben. In den USA wurden jedoch nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC mittlerweile zwei Fälle bei Kindern bestätigt.
Die WHO-Einstufung soll die Regierungen der Mitgliedsländer dazu bewegen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Ausbruch einzudämmen. Die weite Verbreitung der Krankheit ist äußerst ungewöhnlich. Bisher waren die Affenpocken im Wesentlichen auf sechs afrikanische Länder beschränkt. Europa gilt laut WHO als die Weltregion mit einem besonders hohen Ansteckungsrisiko, in Deutschland meldete das Robert Koch-Institut am Freitag knapp 2300 Fälle.
Bei einer Affenpocken-Infektion können Hautausschlag, geschwollene Lymphknoten sowie Fieber, Schüttelfrost und Muskelschmerzen auftreten. In der Regel verläuft die Krankheit nicht tödlich.
Andere Maßnahmen als bei Corona
Auch den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 hatte die WHO am 30. Januar 2020 als solche Notlage deklariert. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen sich nun bei Affenpocken auf dieselben Maßnahmen wie bei der Corona-Pandemie einrichten müssen.
Während sich das Coronavirus durch Aerosole mit Virenpartikeln verbreitet, die Infizierte beim Atmen, Sprechen oder Husten ausstoßen, erfolgen Infektionen mit Affenpocken nach derzeitigem Wissensstand gewöhnlich durch engen Körperkontakt.
Die WHO richtet je nach Krankheit bei Bedarf Notfallausschüsse ein, die mit jeweils anderen Fachleuten besetzt werden. Zur Zeit gilt neben der Notlage internationaler Tragweite wegen Corona seit 2020 auch eine Notlage wegen Polio-Ausbrüchen (seit 2014).
Abgeschlossene Notlagen waren der Ausbruch der Schweinegrippe H1N1 (2010), des Zika-Virus (2016) und von Ebola (2014-2016 und 2019). Die WHO hatte seinerzeit auch Notfallausschüsse wegen Mers-CoV (2013-2015) und wegen Gelbfieber (2016) einberufen. Die dazu konsultierten Fachleute kamen aber nicht zu dem Schluss, dass eine Notlage internationaler Tragweite erklärt werden sollte.
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