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Vor einem Jahr: Die Polizistenmorde bei Kusel

Die Bundesinnenministerin sprach von »Hinrichtung«, der Richter von »Menschenjagd«: Der Gewalttod zweier Polizisten erschütterte viele. Nun jährt sich die Tat. Vor Ort überwiegt immer noch Trauer.

Kusel
Ein Holzkreuz, Engelsfiguren und Blumen erinnern bei Kusel an die zwei Polizisten, die vor einem Jahr im Dienst getötet wurden. Foto: Harald Tittel
Ein Holzkreuz, Engelsfiguren und Blumen erinnern bei Kusel an die zwei Polizisten, die vor einem Jahr im Dienst getötet wurden.
Foto: Harald Tittel

Am Kreuz auf der Anhöhe weht ein eisiger Wind. Schneebedeckt und friedlich liegt die Landschaft da - an jenem Ort, an dem vor einem Jahr ein schreckliches Verbrechen geschah: Zwei junge Polizisten wurden an der abgelegenen Straße nahe Kusel in der Westpfalz im Dienst erschossen.

Zu ihrem Gedenken stehen weiße Engel vor dem Kreuz auf einer Steinplatte. Die Figuren im Südwesten von Rheinland-Pfalz berühren, wie auch ein Herz mit betenden Händen und der Aufschrift »Es bleibt die Erinnerung«. Es wurde neben lila blühender Winterheide und rosa Rosen aus Stoff abgelegt.

Besucher haben Spuren im Schnee hinterlassen. So auch bei der ein paar Hundert Meter entfernten größeren Gedenkstätte, die auf einem Parkplatz angelegt wurde. »Ich weiß von etlichen, die da hingehen«, sagt der Bürgermeister der Stadt Kusel, Jochen Hartloff (SPD). »Man sieht auch, dass da oft frische Blumen sind.« Neben vielen weißen Engeln und Blumen flackern hier auch Laternen mit Kerzen.

Um Jagdwilderei zu vertuschen

Rückblick: 31. Januar 2022, kurz nach 4.00 Uhr am Morgen. Auch damals war es eine Nacht um den Gefrierpunkt, Schneeregen fiel. Den Polizisten kam ein geparkter Kastenwagen verdächtig vor, sie entdeckten im Laderaum gewilderte Hirsche und Rehe. Wenige Minuten waren eine Polizeianwärterin (24) und ein Polizeikommissar (29) tot.

Per Kopfschuss getötet von einem heute 39-Jährigen, der mit der Tat die gewerbsmäßige Jagdwilderei verdecken wollte - so urteilte im November das Landgericht Kaiserslautern. Der Saarländer wurde wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, so dass eine Entlassung nach 15 Jahren Gefängnis als ausgeschlossen gilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.

»Wir denken täglich an sie«

Zum Jahrestag ist der Schmerz besonders groß. »Das waren unsere Mitarbeiter«, sagt der Leiter der Polizeiinspektion Kusel, Christoph Maurer. »Wir denken täglich an sie.« Auf dem Gelände der Dienststelle erinnert eine Gedenkstätte an die Opfer - an einem Ort, an dem jeder vorbeikomme. »Damit drücken wir Verbundenheit aus. Wir wollen auch nichts verdrängen, wir wollen auch nichts vergessen, wir wollen nur ein Weg finden, wie wir mit der Thematik umgehen können«, so Maurer.

Die Polizei Kusel werde am Jahrestag ein Gedenken in ihrer Dienststelle organisieren, sagt der Leiter. Eine offizielle polizeiinterne Veranstaltung mit Landes-Innenminister Michael Ebling (SPD) soll es am Dienstag (31.1.) an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz auf dem Hahn geben.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei hat die Tat das Bewusstsein für die Gefahr einer Gewalteskalation bei Kontrollen geschärft. »Den Kolleginnen und Kollegen ist seit der Tat noch einmal mehr ins Bewusstsein gerückt, dass sie immer vom Schlimmsten ausgehen müssen und auch schlimmste Dinge passieren«, sagt die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Sabrina Kunz. Jede Routinesituation könne sich zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung entwickeln.

Bei der Polizei sei es nach der Tat zwar zu keiner Kündigungswelle gekommen. »Was wir aber erleben, ist, dass nicht nur jüngere, sondern auch lebensältere Kolleginnen und Kollegen sich fragen, ob sie unter diesen Umständen weiterhin Polizeiarbeit machen können«, sagt Kunz.

Dies habe nicht unmittelbar mit den Morden zu tun. »Es geht vielmehr darum, dass man sich im Dienst vieles gefallen lassen muss und gleichzeitig in Teilen unter sehr widrigen Umständen arbeiten muss.«

Ermittlungen laufen weiter

Auch nach der Verurteilung des 39-Jährigen laufen im Saarland weiter Ermittlungen gegen ihn - wegen des Verdachts der Jagdwilderei und Verstößen gegen das Waffengesetz. Es handele sich um eine Vielzahl von Fällen mit Tatort im Saarland, aber auch beispielsweise in Baden-Württemberg und in Bayern, teilt Staatsanwältin Ellen Kaas mit.

Die Tatvorwürfe bezogen sich vor allem auf den Zeitraum 2021 bis Januar 2022. Das sei die Zeit gewesen, in der der Beschuldigte über keinen Jagdschein und keine waffenrechtliche Erlaubnis verfügt habe. Die Ermittlungen dauerten an. Eine zeitliche Prognose über den Abschluss der Ermittlungen sei derzeit nicht möglich, sagt sie.

Weitere Verfahren meist gegen Personen aus dem näheren Umfeld des 39-Jährigen betreffen Kaas zufolge ganz überwiegend Verstöße gegen das Waffenrecht, stehen aber - nach jüngstem Kenntnisstand - mit der Tatnacht in Kusel in keinem Zusammenhang. In einigen dieser Verfahren sei von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken bereits ein Strafbefehlsantrag gestellt oder Anklage erhoben worden.

Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hatte im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass die näheren Umstände, wie der 39-Jährige an die Tatwaffen kam, Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens gegen die Ehefrau sei. Es gehe um den Verdacht der fahrlässigen Tötung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. »Die Ermittlungen sind abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft wird über ihre abschließende Entscheidung im Lauf des Monats Februar informieren«, heißt es jetzt.

In Kusel ist die Betroffenheit nach dem Gewalttod der Polizisten noch spürbar. »Natürlich war das damals ein Schock. Das ist schon etwas, über das man hier immer wieder spricht«, sagt Bürgermeister Hartloff. »Man merkt, es ist präsent.« Dass die Stadt nun mit diesem schlimmen Ereignis verknüpft sei, zeige: »Dass so etwas auch hier passieren kann. Es kann überall passieren. Das ist der Weltenlauf.«

© dpa-infocom, dpa:230130-99-407369/5