LONDON. Mit einem einzigen Interview hat Prinzessin Diana vor 25 Jahren die britische Monarchie in ihren Grundfesten erschüttert.
Mehr als 200 Millionen Menschen verfolgten weltweit am Fernseher, wie die hübsche und volksnahe Diana frank und frei über die emotionale Kälte am Hofe und die Untreue ihres Gatten Prinz Charles plauderte. Schlimmer noch: Sie sagte, dass Thronfolger Charles wohl nicht für den »Top-Job« - also König zu sein - geeignet sei. Besser wäre es, wenn Sohn William später direkt Elizabeth II. auf den Thron folge.
Drei Jahre lang lebte Diana damals schon von ihrem Mann getrennt, der eine lange Affäre mit Camilla Parker Bowles hatte. »Ich will keine Scheidung«, sagte Diana in dem BBC-Interview am 20. November 1995. Sie wolle aber Klarheit. »Ich warte auf die Entscheidung meines Mannes über den Weg, den wir einschlagen sollen.« War Camilla der Grund für das Scheitern ihrer Ehe? »Nun, wir waren zu dritt in unserer Ehe. Das war ein bisschen viel«, sagte die Prinzessin.
Ungewöhnlich offen waren Dianas Worte. »Ich möchte Königin im Herzen der Menschen sein. Aber ich sehe mich nicht als Königin dieses Landes.« Doch sie teilte auch heftig aus: »Ich glaube nicht, dass viele Leute mich als Königin wünschen. Ich meine vor allem das Establishment, in das ich hineingeheiratet habe. Für die bin ich ein Versager.«
Vorwürfe, sie wolle die Monarchie zerstören, wies sie zurück. »Warum sollte ich etwas zerstören, das die Zukunft meiner Kinder sichert? Ich werde für meine Kinder auf allen Ebenen kämpfen.« Sie selbst wollte eine Art Sonderbotschafterin für ihr Land werden.
Die 34-Jährige gab auch zu, selbst eine Affäre gehabt zu haben: Sie hatte Trost bei Reitlehrer James Hewitt gesucht und wurde letztlich durch seine Indiskretionen enttäuscht. Das Verhältnis habe die Grenzen der Freundschaft überschritten, sagte sie. »Ich habe ihn angebetet. Ja, ich war in ihn verliebt.« Auch von Selbstverletzungen - Schnitte in Arme und Beine - und Bulimie berichtete sie.
Das Interview hatte Folgen. Nur einen Monat später wurde bekannt, dass die Queen sich für eine rasche Scheidung des Paares aussprach. Charles war einverstanden und ließ über seinen Sprecher erklären: »Der Prinz hat nicht die Absicht, wieder zu heiraten.«
Empört war die Monarchin Berichten zufolge vor allem darüber, dass ihre Schwiegertochter die Eignung von Charles für den Thron anzweifelte. Dianas heimlich arrangierter Fernsehauftritt wurde als Vertrauensbruch gegenüber dem Königshaus gewertet.
Die Royals verloren nach dem Interview drastisch an Ansehen, wie Umfragen ergaben. Dass Diana für das Wohl ihrer »Boys« Harry und William, damals 11 und 13 Jahre alt, kämpfte und »nicht leise verschwinden« wollte, ließ sie in der Gunst der Briten steigen.
Psychologen sahen in ihr eine ideale Identifikationsfigur für frustrierte Frauen: Sie habe stets versucht, alles richtig zu machen, ohne dass man es ihr gedankt habe. Zudem habe sie den »Kampf der Frauen« mit einer charmanten Ausstrahlung verbunden. Der Chefredakteur der Boulevardzeitung »Sun« lobte Diana sogar als Mischung zwischen einem Supermodel und Mutter Teresa.
Kritiker bezeichneten die Prinzessin mit dem scheuen Blick dagegen als eine berechnende Frau. Nicholas Soames, ein Freund von Charles und damals Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sprach vom »Schauspiel eines angeblichen Opferlamms, das an Verfolgungswahn grenzt«. Ob gut oder böse: Für das Königshaus war das Interview wie eine schallende Ohrfeige. Ein Gewinner des Skandals war hingegen die BBC; der Sender verkaufte das Interview in mehr als 100 Länder.
Dianas Bruder, Charles Spencer, wirft dem Journalisten Martin Bashir allerdings vor, sich das Interview mit seiner Schwester damals mit unlauteren Methoden - etwa gefälschten Kontoauszügen - verschafft zu haben. Diese sollten demnach den Eindruck erwecken, Menschen wären dafür bezahlt worden, Informationen über Diana preiszugeben. Man nehme die Vorwürfe »sehr ernst«, sagte BBC-Chef Tim Davie und kündigte eine unabhängige Untersuchung an. Geleitet werden soll sie von Lord Dyson, einem ehemaligen Richter am Obersten Gerichtshof.
Prinz William (38) bezeichnete die angekündigte Untersuchung laut Kensington-Palast als »Schritt in die richtige Richtung«. Bashir selbst konnte aus gesundheitlichen Gründen zunächst nicht befragt werden. Er leidet nach Angaben des Senders noch an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung und eines Eingriffs am Herzen.
Viel ist seit dem Interview vor 25 Jahren geschehen. Trotz Beteuerungen von Prinz Charles, nie wieder zu heiraten, ging er viele Jahre später doch den Bund der Ehe ein: mit Camilla, die früher von der britischen Presse als Rottweiler verspottet worden war. Charles, einst als snobistisch kritisiert, und Camilla genießen heute bei den meisten Briten ein hohes Ansehen. Sie gelten als bodenständig und setzen sich für wohltätige Zwecke ein.
Prinzessin Dianas Leben war hingegen nur kurz. Keine zwei Jahre nach dem spektakulären Interview verunglückte sie - von Paparazzi verfolgt - tödlich bei einem Autounfall mit ihrem Geliebten Dodi Al-Fayed in einem Pariser Tunnel. (dpa)