Logo
Aktuell Gesundheit

Von Hirschhausen geht Demenz auf der Spur

In der zweiteiligen ARD-Dokumentation »Hirschhausen und das große Vergessen« geht es rund um Ursachen, Therapien und Prävention. Der prominente Arzt lässt sich sogar selber auf die Krankheit testen.

Dr. Eckart von Hirschhausen setzt sich in einer Dokumentation mit Demenz auseinander.
Dr. Eckart von Hirschhausen setzt sich in einer Dokumentation mit Demenz auseinander. Foto: WDR/Max Leitmeie
Dr. Eckart von Hirschhausen setzt sich in einer Dokumentation mit Demenz auseinander.
Foto: WDR/Max Leitmeie

BONN. »Jeder von uns hat früher oder später mit Demenz zu tun, und Angst, selbst einmal daran zu erkranken. Deshalb zeige ich, wie es in meinem Kopf aktuell aussieht«, sagt der Mediziner und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen. In der neuen ARD-Dokumentation geht er auf eine persönliche Spurensuche, denn auch in seinem Umfeld sind Menschen von Demenz betroffen. Er möchte zeigen, wie es um seine geistige Gesundheit steht und was jeder tun kann, um sein Gehirn zu schützen. Schließlich lasse sich die Hälfte aller Demenzerkrankungen verhindern. Der Arzt unterhält sich mit Experten und erlebt mit Betroffenen, Angehörigen und Pflegenden, welche Gesichter die Krankheit hat.

In der Forschung gibt es neue Früherkennungstests, die die Entwicklung von Alzheimer – eine Form von Demenz – feststellen können, lange bevor die ersten Symptome wie Vergesslichkeit oder Wortfindungsstörungen auftauchen. Von Hirschhausen lässt sich im Deutschen Zentrum für neurogenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn umfassend darauf testen. Die Dokumentation zeigt, wie eng Schlaf, pflanzenbasierte Ernährung, Bewegung und Neugier mit der Hirngesundheit zusammenhängen.

Pfleger: die »stillen« Helden

Besonders beeindruckt zeigt sich der Arzt von den pflegenden Angehörigen, die in Deutschland die größte »Berufsgruppe« im Gesundheitswesen bilden. Ihre tägliche Leistung geht weit über die finanzielle Anerkennung durch die Pflegeversicherung hinaus, und dennoch erhalten sie kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Das Bild von Demenz in den Medien sei oft verzerrt, da es meist auf Heime und das Endstadium fokussiert, so der Promi. Die Mehrheit der Betroffenen lebe jedoch zu Hause und nehme aktiv am Leben teil. Hirschhausen begleitet daher viele pflegende Angehörige, spricht mit ihnen und zeigt so deren zentrale Rolle in der Versorgung von Menschen mit Demenz.

Die Dokumentation zeigt auch medizinische Meilensteine. Im zweiten Teil begleitet sie die 67-jährige Alzheimer-Patientin Klara Winterhoff während der Diagnostik und ihrer Behandlung an der Uniklinik Bonn. Die Serie dokumentiert das lange Warten auf die Zulassung des Medikaments »Lecanema« und die erste Infusion, die gezielt gegen Eiweißablagerungen im Gehirn vorgeht, eine der Ursachen von Demenz. Neben medizinischen Aspekten zeigt die Doku vor allem die menschlichen Geschichten hinter der Erkrankung.

Mit 65 Jahren steigt das Risiko

Von Hirschhausen macht deutlich, wie groß das Problem der Demenzversorgung in Deutschland ist und wie sehr es in Zukunft wachsen wird. Fast zwei Millionen Menschen leben hierzulande mit einem Abbau von Gedächtnis, Verstand oder Persönlichkeit. Ab 65 Jahren steigt das Risiko deutlich, mit 90 Jahren ist fast jede dritte Person betroffen. Während derzeit rund 1,5 Millionen Pflegekräfte für 5,5 Millionen Pflegebedürftige arbeiten, werden bis 2050 voraussichtlich 1,2 Millionen zusätzliche Pflegebedürftige hinzukommen – eine enorme Herausforderung für das Gesundheitswesen.

Trotzdem gäbe es viele Möglichkeiten, Demenz vorzubeugen. Fast die Hälfte aller Erkrankungen ließe sich verhindern. Entscheidend sind gesellschaftliche Rahmenbedingungen: gesunde Ernährung in Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Kantinen, eine angemessene Besteuerung von Tabak, Alkohol und Zucker, Bildung, Musik- und Bewegungserziehung sowie die Bekämpfung von Einsamkeit. Lebensstilfaktoren wie gutes Hören, Vermeidung von Kopfverletzungen, Depressionen, Alkoholmissbrauch und Luftverschmutzung spielen ebenfalls eine Rolle.

Mikroplastik im Gehirn

Auch neue Forschungsergebnisse thematisiert die Doku. So wurden bei verstorbenen Demenzpatienten bis zu sieben Gramm Mikroplastik im Gehirn gefunden, unter anderem aus Reifenabrieb. Diese Partikel gelangen über die Nase ins Gehirn, verstopfen Blutgefäße und belasten das Immunsystem.

Für bereits Betroffene zeigt das Projekt »wohlbedacht« in München, wie individuelle und humane Versorgung aussehen kann. Wohngruppen, Tages- und Nachtpflege ermöglichen eine Entlastung pflegender Angehöriger. Menschen mit Frontotemporaler Demenz, die zuvor jahrelang in geschlossenen Einrichtungen isoliert waren, erfahren hier wieder Teilhabe und Lebensqualität.

Genetische Ursachen spielen nur bei einem kleinen Teil der Alzheimer-Fälle eine Rolle. Lebensstil, Bildung, körperliche Gesundheit und soziale Teilhabe sind entscheidend, um das Risiko zu senken. Hirschhausen selbst hat seinen Lebensstil angepasst: Er achtet auf Ernährung, Sport und ausreichenden Schlaf, um sein Gehirn zu stärken. Zudem gibt es Hoffnung durch medizinische Prävention: So kann die Impfung gegen Gürtelrose chronische Entzündungen reduzieren und so den Nervenschwund verlangsamen.

Ein weiterer positiver Ansatz sind die sogenannten »Superager«, ältere Menschen, die geistig topfit bleiben. Das Kamearteam besucht unter anderem Richard Luber aus Reutlingen, der mit 91 Jahren noch Sport treibt – ein Beispiel dafür, wie ein aktives Leben das Gehirn frisch hält. »Hirschhausen und das große Vergessen« verbindet neueste medizinische Erkenntnisse mit menschlichen Geschichten und zeigt Wege, wie Prävention, Versorgung und Lebensstil die Lebensqualität von Menschen mit Demenz verbessern können. Die Dokumentation ist in der ARD Mediathek zu finden, Teil 1 wird am 3. November, um 20.15 Uhr, im Ersten ausgestrahlt. (GEA)