Am späten Samstagnachmittag macht sich die Zwölfjährige von einer Freundin aus zu Fuß auf den Nachhauseweg. Gut drei Kilometer weit müsste sie laufen, vom Vorörtchen Hohenhain hinab in den Hauptort, nach Freudenberg in Südwestfalen. Dort kommt sie aber nie an. Am Tag darauf wird ihre Leiche an einer Böschung neben einem Radweg gefunden - in genau der entgegengesetzten Richtung ihres eigentlichen Heimwegs. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen getötet wurde.
Entscheidende Aufschlüsse erhoffen sie sich aus dem für Dienstag erwarteten Obduktionsergebnis. Das Resultat der Untersuchungen werde voraussichtlich am Vormittag bekanntgegeben, kündigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Koblenz an.
Am Montag erinnert an dem Radweg nichts mehr daran, dass hier einen Tag zuvor eine Leiche entdeckt wurde. Keine Polizeiautos, keine Absperrbänder, nichts. An der Stelle, wo das Mädchen gefunden wurde, ist rundherum nichts als Wald. Das nächste Haus ist einige hundert Meter entfernt. Das Gelände fällt dort steil vom Radweg ab.
Derzeit keine Hinweise auf ein Sexualdelikt
Der Fundort des Leichnams liegt in der Nähe eines ehemaligen Bahnhofs auf rheinland-pfälzischem Gebiet, unmittelbar an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Dieser Ort befindet sich aber gar nicht auf dem Heimweg des Mädchens. Ist die Zwölfjährige aus Versehen in die falsche Richtung gelaufen oder wurde sie womöglich verschleppt? Eine Erklärung haben die Ermittler dafür bisher nicht. »Ob der Auffindeort auch der Tatort ist, wissen wir noch nicht sicher«, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Koblenz am Montag. Eine Mordkommission der Kriminaldirektion Koblenz übernahm die Ermittlungshoheit. Über die weiteren Maßnahmen stimmten sich die Behörden beider Länder eng ab, hieß es.
»Die bisher durchgeführten Ermittlungen bestätigen den Verdacht, dass das Mädchen Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist«, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft weiter. Aufgrund des Spurenbildes sei von einer Gewalttat auszugehen. Hinweise auf ein Sexualdelikt lägen derzeit nicht vor. »Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren«, sagte der Sprecher. Nähere Angaben machten Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst nicht - »aus ermittlungstaktischen Gründen«. »Für uns steht derzeit die Tataufklärung im Vordergrund, da wir uns in einem frühen und oft entscheidenden Stadium befinden«, so der Sprecher.
Das Kind war zuletzt am Samstag gegen 17.30 Uhr in Freudenberg gesehen worden, als es sich nach dem Besuch einer Freundin auf den Heimweg machte. Als die Zwölfjährige nicht nach Hause kam, begann noch am Abend die Suche mit starken Kräften von Polizei und Feuerwehr. Auch Flächensuchhunde und auf Personen spezialisierte »Mantrailer«-Hunde kamen zum Einsatz. In der Nacht überflog ein Hubschrauber mit einer Wärmebildkamera das Gebiet.
Nachdem die ganze Nacht hindurch gesucht wurde, kamen am Sonntagvormittag noch Kräfte einer Einsatzhundertschaft der Kölner Bereitschaftspolizei hinzu. Die Polizei veröffentlichte auch ein Foto des Kindes. Kurz vor 14.00 Uhr wurde dann der Fund des Leichnams berichtet.
In Freudenberg wehen die Flaggen auf halbmast
Einen Tag danach bleiben viele Fragen offen. Und so wird in der Stadt spekuliert: Was ist mit ihr passiert? Ein Mann denkt laut nach: »Was, wenn das meine Tochter wäre? Was würde ich machen?« An der Gesamtschule in Freudenberg, die das Mädchen besuchte, herrscht zumindest von außen auf den ersten Blick normaler Schulbetrieb. Kinder tollen in der Pause auf dem Schulhof herum, werden von Lehrern ermahnt, nicht vom Gelände zu laufen. Bei den Schülerinnen und Schülern der Schule in dem Städtchen mit knapp 18.000 Einwohnern stoßen vor allem die Fernsehteams vor dem Gelände auf Interesse.
In der Schule des Mädchens fand am Montag Unterricht statt, es gab aber Gesprächsangebote von Psychologen an die Mitschülerinnen und Mitschüler, wie ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg sagte. Das gelte besonders für die Klasse der Zwölfjährigen. Noch am Sonntagabend hatte es eine Trauerandacht in der Stadt gegeben.
Die Bürgermeisterin der Stadt Freudenberg, Nicole Reschke, ließ die Flaggen am Montag auf halbmast setzen. »Wir sind in Freudenberg tief erschüttert und in Gedanken bei den Angehörigen. Ich habe für heute Trauerbeflaggung angeordnet«, sagte die SPD-Politikerin.
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