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Tony Marshall ist tot - Stimmungskanone mit Opern-Examen

Er war der Muntermacher der Nation und einer der großen Entertainer: Tony Marshall, der mit der »Schönen Maid« seinen Durchbruch feierte. Dabei konnte er sehr viel mehr als Schlager.

Schlagersänger Tony Marshall ist tot
Der Schlagersänger Tony Marshall bei den Proben zu einem Streaming-Konzert (2020). Foto: Uli Deck
Der Schlagersänger Tony Marshall bei den Proben zu einem Streaming-Konzert (2020).
Foto: Uli Deck

Die »Schöne Maid« klebte sein ganzes Leben an ihm wie Zuckerguss. Mit ihr hatte er im Jahr 1971 seinen musikalischen Durchbruch. Seitdem trällerte die Nation mit. Tony Marshall litt zumindest zu Beginn seiner Karriere an seinem Schlager-Image, liebte aber seine Fans und machte sich später sogar immer wieder ausdrücklich für das Schlager-Genre stark.

Der Muntermacher der Nation zog bis ins hohe Alter durch die Stadthallen. Nach langer Krankheit starb er am Donnerstagabend nun im Kreis seiner Familie, wie eine Sprecherin am Freitag mitteilte.

Songs in acht Sprachen

Der Entertainer aus Baden-Baden hatte eigentlich viel mehr drauf als die »Schöne Maid« oder Gassenhauer wie »Heute hau'n wir auf die Pauke« - er beherrschte neben Klavier und Geige noch vier andere Instrumente, sang in acht Sprachen und hatte ein Staatsexamen als Opernsänger.

Doch für seine Fans machte Tony Marshall über Jahrzehnte die Stimmungskanone und blieb so, wie sie ihn mochten: lange braungelockt, dann mit Hut und immer gut drauf. Für sie gewöhnte er sich sogar an die »Schöne Maid«.

Denn Liebe auf den ersten Blick war es nicht, was ihn mit dem Song verband. Als er das Lied als junger Mann im Aufnahmestudio singen sollte, trank er sich erst mal einen an. Der Text mit dem ganzen »Hojahojaho« war ihm einfach nur peinlich.

Die Hoffnung, wegen Trunkenheit herausgeworfen zu werden, erfüllte sich nicht. Alle waren begeistert - und Tony Marshall ein Star. Dass er im Laufe von sechs Jahrzehnten Bühnenleben und weit über 10.000 Auftritten nicht nur in glanzvollen Sälen sang, sondern durchaus auch durch Vereinsheime von Schützen, Kaninchen- oder Taubenzüchtern tingelte, störte ihn nach eigenem Bekunden nicht. Hauptsache er hatte Kontakt zum Publikum.

Ein Mann mit Kult-Status

Herbert Anton Hilger, so sein bürgerlicher Name, wollte immer »Einer wie Du« sein. So hieß auch eine vor Jahren erschienene gleichnamige Biografie. An sich wollte der an den Musikhochschulen in Freiburg und Karlsruhe ausgebildete Künstler Opernsänger werden. Doch dann wäre seine Familie »verhungert«, wie er einmal sagte. Dafür erlangte er Kult-Status im Schlagergeschäft.

In einem Alter, in dem andere sich längst zur Ruhe gesetzt hatten, war er als musikalischer Reiseführer für die ZDF-Reihe »Viva la Musica« auf Mallorca und in New York, er tourte mit den »Stars der Volksmusik« durch Deutschland oder stand als Milchmann Tevje im Musical »Anatevka« auf der Bühne. Und mit der Rockröhre
Anastacia sang er die »Schöne Maid« auch auf Englisch. »Ich stecke noch voller Energie«, sagte er einmal. »Wer sollte mich bremsen?«

Die Gesundheit zum Beispiel. Er hatte einen Herzschrittmacher und litt seit Jahren an der Nervenkrankheit Polyneuropathie. Die schränkte zuweilen seinen Bewegungsdrang ein und zwang ihn auch, Auftritte abzusagen. Anfang 2019 lag er wegen eines Schlaganfalls tagelang im Koma. Schon da bangte die Familie um sein Leben, aber er sprang dem Tod noch einmal von der Schippe. 2021 überstand er eine Corona-Infektion.

Beim Laufen brauchte er inzwischen Hilfe, zuletzt musste er dreimal die Woche zur Dialyse - zu »Anneliese«, wie er lachend sagte. Aber auf seine Stimme war Verlass. »Ich bin ein Glückspilz«, betonte er. Er gab wieder Konzerte, doch er trat deutlich kürzer.

Das Alter trieb ihm jedenfalls keine Sorgenfalten auf die Stirn. Und der Tod machte ihm, dem Atheisten, als den er sich selbst bezeichnete, keine Angst. »Meine Krankheiten sind gar keine, sondern lediglich ein Verfall des Körpers«, sagte er. Im Jahr 2021 erschien sein Album »Mein letzter Traum«.

Was er schmerzlich vermisste, war eine Wertschätzung für den Schlager. Was ihn richtig freute, war die Anerkennung in seiner Heimatstadt Baden-Baden. Der Kurort hat einen Weg nach ihm benannt, eine Rose »Schöne Maid« getauft und Tony Marshall 2018 zum Ehrenbürger ernannt. Das hat den Musiker besonders gefreut: »Diese wunderbare Ehrung, die sie mir haben zuteil werden lassen, das haut auch den Tony um.«

Leben für die Show und die Familie

Tony Marshall liebte das Showgeschäft. Doch noch mehr seine Familie: Der Vater dreier Kinder, Opa und Uropa war seit Jahrzehnten mit seiner Jugendliebe Gaby verheiratet: »Sie ist das Beste, was mir widerfahren ist.« Seine Söhne Pascal und Marc, letzterer ebenfalls Sänger im Duo Marshall und Alexander, begleiteten den Papa manchmal auf Tourneen. Mit seiner behinderten Tochter Stella engagierte er sich in seiner Stiftung für Menschen mit Behinderung.

In Gaggenau bei Rastatt eröffnete Tony Marshall noch im Juli 2021 eine kleine Galerie, voller Erinnerungen, Fotos und Goldenen Schallplatten. »Nach meinem Ableben wird sich hier doch wohl auch ein Platz finden für meine Urne«, sagte er da lachend. »Eine Blumenvase tut's aber auch. Schreiben wir einfach «Tony» drauf.«

Seinen 85. Geburtstag feierte er Anfang Februar in aller Stille, ohne Rummel, ohne viel Tamtam. Öffentlich aufgetreten war er da aus gesundheitlichen Gründen schon länger nicht mehr. »Die ganze Familie ist um mich herum, von meiner Frau bis zu meinen Urenkeln«, sagte er noch vor etwa zwei Wochen. »Ich war erfolgreich in meinem Beruf als Sänger - und ich bin glücklich.«

© dpa-infocom, dpa:230217-99-634311/6