LONDON. Um Dianas Superfans im Königreich ist es ruhig geworden. Am 31. August jährt sich zum 25. Mal der tragische Tod der Prinzessin von Wales, aber der einst hysterische Rummel um Lady Di ist in diesem Jahr abgeebbt. Vor fünf Jahren war das anders. Zum 20. Jubiläum hatte noch die Diana-Manie seltsame Blüten getrieben. Da druckten die britischen Gazetten Doppelseiten für ihre Leserinnen, damit sie den Diana-Look hinbekommen, da ließ ein Boulevardblatt ein Medium zu Wort kommen, das mit exklusiven Informationen aufwartete, was die tote Prinzessin aus dem Jenseits zu Brexit oder zu der Monarchie zu sagen hätte.
Mittlerweile scheinen sich auch die leidenschaftlichsten Verehrer zurückzuhalten. Der »Diana Circle UK«, ein Verein von Superfans, der seine höchste mediale Beachtung genoss, als er 2005 die Hochzeit von Prinz Charles und Camilla (»Kuhmilla« in der Diktion der Superfans) zu verhindern suchte, hat heuer nur noch 26 Mitglieder. Andere Diana-Fanclubs im Internet funktionieren nicht mehr, ihre Webseiten lassen sich nicht aufrufen.
Die einstige Hauspostille des Diana-Kults, der Daily Express, druckt immer seltener Geschichten über die Prinzessin, das Interesse hat nachgelassen. Für die Briten ist heute das Thema Diana vor allem Geschichte: durchaus ein wichtiger Meilenstein der nationalen kollektiven Erinnerung, aber nicht mehr etwas, was sie im täglichen Leben kümmern würde. Der Fernsehkritikerin Carol Midgley graute es vor dem 25. Todestag, weil man »das gleiche müde Filmmaterial anschauen muss, das man schon tausend Mal vorher gesehen hat, wie schon zum 20. Jubiläum und zum zehnten und zum fünften …«
Ton wird sachlicher
Dass der Ton im Umgang mit dem Phänomen Diana mittlerweile viel sachlicher geworden ist, sieht man an den zwei, drei großen Fernsehdokumentationen, die in Großbritannien im Vorfeld zum 25. Todestag ausgestrahlt wurden. Die von Sky gesendete Doku »The Princess« des oscarnominierten Regisseurs Ed Perkins zum Beispiel verzichtet komplett auf kommentierende TV-Sprecher und erzählt die Geschichte ausschließlich mit sorgfältig ausgewähltem und teils unbekanntem Archiv-Material. Man lässt allein die Bilder sprechen.
Und es ist ja eine Geschichte, die durchaus globale Faszination verdient. Als 1981 die 20-jährige Grafentochter den zwölf Jahre älteren Prinz Charles heiratete, wurde dies als die »Hochzeit des Jahrhunderts« gefeiert und weltweit von rund 750 Millionen Menschen auf den Fernsehschirmen verfolgt. Doch die Ehe stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Weniger aus Liebe, mehr aus Pflichtgefühl nahm der Thronfolger Diana zur Frau. Die wiederum hatte von Anfang Grund zur Eifersucht, weil Charles den Kontakt zu seiner alten Jugendliebe Camilla nicht abbrechen wollte.
Auch die beiden Söhne William und Harry, die 1982 und 1984 zur Welt kamen, machten aus Charles und Diana kein glückliches Ehepaar. Nicht, dass die Welt das geahnt hätte: Man hielt die Märchenprinzessin Diana für die Apotheose von Glück und Glamour.
Bis dann 1992 ein Buch herauskam, das mit dem schönen Schein aufräumte. Diana, die sich gefangen fühlte im golden Käfig des Hoflebens, hatte mit dem Journalisten Andrew Morton kollaboriert und lieferte ausführliche Interviews, die zu der Veröffentlichung von »Diana: Ihre wahre Geschichte« führten. Ab da wusste die Welt von Charles Untreue, von der Bulimie Dianas, von ihren Depressionen und den Selbstmordversuchen.
Wenige Monate später, im Dezember 1992, kam es zur Trennung. Diana begann einen neuen Lebensabschnitt, in dem sie ihre Unabhängigkeit im Einsatz für wohltätige Zwecke suchte. Was wie ein Märchen begann, endet wie eine griechische Tragödie. In der Nacht des 31. August 1997 rast ein schwarzer Mercedes in den Tunnel unter der Pont de l’Alma in Paris. Am Steuer: Henri Paul, der Sicherheitsmanager des Hotels »Ritz«, auf dem Rücksitz Diana und ihr Liebhaber Dodi al Fayed. Der Mercedes wird verfolgt von Paparazzi auf Motorrädern, er fährt viel zu schnell, fast Tempo 100. Henri Paul verliert die Kontrolle, die schwere Limousine kracht in den 13. Pfeiler. Diana überlebt den Unfall nur um wenige Stunden. Später wird es über ihren Tod eine Menge (die britische Polizei überprüfte insgesamt 104) Verschwörungstheorien geben, am hartnäckigsten vertreten von Dodis Vater Mohammed al Fayed. Der Milliardär war fest überzeugt, dass Diana auf Geheiß von Prinz Philip und dem britischen Establishment ermordet wurde, weil die Prinzessin schwanger gewesen sei und man keinen Muslim in der Königlichen Familie haben wollte.
Keine Verschwörung
Eine französische und eine spätere ausführliche britische Untersuchung kamen zu einem anderen Schluss: Es war ein Unfall. Diana starb, weil sie keinen Sicherheitsgurt trug und weil der Chauffeur Henri Paul 1,7 Promille Alkohol im Blut und dazu Beruhigungsmittel geschluckt hatte.
Dianas Leichnam wurde nach England überführt, und dort brach eine Trauer-Orgie aus, die das Königreich noch nicht erlebt hat. Die Briten schienen schier untröstlich über den tragischen Tod ihrer »Volksprinzessin«, ihrer »Königin der Herzen«. Zehntausende strömten nach London, um vor den Toren des Kensington Palastes Blumensträuße niederzulegen. Menschen weinten auf offener Straße.
Selbst der Times wurde es zu viel, die einen »Trauer-Faschismus« beklagte, die zu einer »Sentimentalität des Mobs« führe. Ein Mann wurde gar von aufgebrachten Diana-Verehrern zusammengeschlagen, weil es an Respekt missen ließ – er hatte es gewagt, am Tag ihrer Beerdigung seinen Wagen zu waschen. Diese Tage der intensiven, manche würden sagen: hysterischen Volkstrauer haben die Nation verändert. Die sogenannte »Blumenrevolution« bedeutete einen Aufstand der Untertanen Ihrer Majestät im Namen Dianas. Ihre Fans forderten den Abschied von den alten Establishment-Werten und die Heraufkunft dessen, wofür die Volksprinzessin stand: Wärme, Mitgefühl, Emotionalität, die Einbeziehung von Minderheiten, das Eintreten für Vielfalt.
Mentalitätswandel eingeleitet
Tatsächlich markierte der Tod Dianas so etwas wie einen Mentalitätswandel. Die traditionelle »steife Oberlippe« schien passé, eine neue Empfindsamkeit will sich durchsetzen. Klassische britische Tugenden wie Beherrschtheit, Wettbewerbsgeist, Belastbarkeit, Ehrerbietung oder Disziplin traten in den Hintergrund, stattdessen wurden Werte wie Anteilnahme, Toleranz, Verständnis und Konsens wichtig. Das Gebot der »emotionalen Korrektheit« regiert: Gefühle sollen gezeigt und nicht unterdrückt werden. Nicht alle finden das gut. Die Kolumnistin Melanie Philips wetterte gegen die neue Gefühligkeit. Anlässlich der Einweihung eines neuen Diana-Denkmals im letzten Jahr schrieb sie in der Times: »Was enthüllt wird, ist nicht nur eine Statue für eine tragisch verlorene Mutter und problembelastete Seele, sondern auch für ein Emblem unserer verrückten, egozentrischen und emotional inkontinenten Ära.«
Für einen Augenblick schien damals die »Blumenrevolution« der Institution der Monarchie gefährlich zu werden. Harsche Kritik an der Queen wurde laut, weil die sich anscheinend gefühlskalt und unnahbar zeigte. Übereifrige Anti-Monarchisten, die gleich eine Republik forderten, schossen da übers Ziel hinaus, aber der Ruf nach einer Modernisierung der Monarchie wurde immer stärker.
Um mehr Volksnähe bemüht
In der Folge nahm sich das Königshaus den Wunsch zu Herzen und bemühte sich nach Kräften, mit der Zeit zu gehen: Die Queen überraschte mit einem offiziellen Auftritt in einer Kneipe, und Prinz Charles traf sich mit den Spice Girls. Aber vor allem akzeptierte man, dass der Fokus in der Zukunft auf den beiden Söhnen Dianas liegen wird: William und Harry prägten in der Folge immer mehr das Erscheinungsbild der Royals. Nach dem Megxit, dem Umzug von Prinz Harry und seiner Frau Meghan ins sonnige Kalifornien, sind es heute vor allem die Nummer Drei der Thronfolge William und seine Familie, die als Garanten für die Zukunft der Monarchie gelten.
Doch bevor William zum Zuge kommt, wird sein Vater den Thron besteigen. Und an seiner Seite wird Camilla zur Königin. Das dürfte dann wohl die ultimative Beleidigung für Dianas Superfans sein: dass die Frau, die die Ehe der Prinzessin zerstört hat, auch noch den Titel übernimmt, der eigentlich Diana gehören sollte. Als Charles 2005 Camilla heiratete, hatte man das noch nicht gewagt und nur davon gesprochen, dass Camilla im Fall der Thronbesteigung lediglich den Titel »Princess Consort«, also Prinzessinnengemahlin, führen würde. Aber in diesem Frühjahr hat Queen Elizabeth II. ausdrücklich angeordnet, dass Charles’ Frau die Titulatur einer »Queen Consort« einer Königsgemahlin, erhalten solle. Damit ist der Kampf der Diana-Verehrer endgültig verloren. Das Establishment hat sich durchgesetzt. (GEA)