Es war ein Routinetest auf Schwangerschaftsdiabetes, wie er täglich in deutschen Arztpraxen durchgeführt wird. Doch einer 28-jährigen Frau aus Köln bringt er den Tod. Nachdem sie die Traubenzuckerlösung getrunken hat, kollabiert sie und stirbt kurz darauf im Krankenhaus. Die Ärzte versuchen noch per Notkaiserschnitt ihr Baby zu retten - vergebens. Ermittlungen ergeben: Die Glukoselösung war mit einem Betäubungsmittel verunreinigt.
Vier Jahre später hat am Donnerstag vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen eine Apothekerin begonnen. Wegen versuchten Mordes durch Unterlassen und fahrlässiger Tötung.
Die zierliche Angeklagte mit schwarzem Blazer und streng zurückgebundenen Haaren lauscht der Anklageverlesung mit teils geschlossenen Augen und unbewegtem Gesichtsausdruck. Ihr Verteidiger weist die Vorwürfe als »abwegig« zurück. Seine Mandantin bedauere den Tod der Frau und ihres Babys zutiefst. »Der Fall ist tragisch. Aber sie ist nicht für den Tod von Mutter und Kind verantwortlich.«
Beim Gynäkologen das Bewusstein verloren
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll die angeklagte Apotheken-Leiterin 2019 versehentlich die Glukose mit dem Betäubungsmittel vermischt haben. Das Gefäß mit dem Lidocainhydrochlorid sei fast leer gewesen. Den Rest soll die Apothekerin in einen Glukose-Behälter geschüttet haben - in der Annahme, bei dem weißen Pulver handele es sich um dasselbe Präparat. Von der nunmehr verunreinigten Glukose soll sie Portionsbeutel abgefüllt haben, von denen einige an schwangere Kundinnen abgegeben wurden.
Eine von ihnen wurde durch den bitteren Geschmack der angerührten Lösung stutzig. Sie wusste durch eine frühere Schwangerschaft, dass die Lösung eigentlich unangenehm süß schmecken müsste. Die Frau trank nur einen Schluck und erholte sich rasch von der Vergiftung.
Die 28-Jährige jedoch verlor nach der Einnahme in der Praxis ihres Gynäkologen das Bewusstsein. Der Notarzt vermutete laut Anklage zwar eine Vergiftung, kannte aber die Ursache nicht und somit kein Gegenmittel. Die Frau und ihr per Kaiserschnitt geborenes Baby starben an multiplem Organversagen.
Aus Angst geschwiegen
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt ahnte, dass eine Lidocainvergiftung vorliegen könnte. Denn zwischenzeitlich hätten Mitarbeiter der Arztpraxis und des Krankenhauses in der Apotheke den Verdacht geäußert, dass möglicherweise mit der Glukose etwas nicht stimme. Daraufhin habe die Angeklagte eine Geschmacksprobe aus dem Glukosegefäß genommen und festgestellt, dass sie bitter schmeckte, sagte der Staatsanwalt: »Spätestens jetzt erkannte sie die Verwechslung.«
Aus Angst, ihre Approbation zu verlieren und der Apotheke zu schaden, habe sie jedoch geschwiegen. Die Staatsanwaltschaft wertet dies als versuchten Mord durch Unterlassen.
Nach Angaben eines Gerichtssprechers lautet die Anklage auf »versuchten Mord«, da nicht sicher sei, ob die beiden Opfer tatsächlich noch hätten gerettet werden können. Das Landgericht hat für den Prozess weitere 20 Verhandlungstage bis Ende September terminiert.
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