REUTLINGEN. Armin Laschet zu loben, grenzt derzeit ja eher an eine Mutprobe als an ein Lippenbekenntnis. Muss man machen, wenn man Konservativer ist. An einem selbst soll’s ja nicht liegen, wenn der Laden mal hochgeht. Gefährlich kann das Lob nach der Wahl werden – wenn der Kandidat und seine Unterstützer abgestraft werden.Was haben es da doch die Sozis so leicht: Die Mutprobe, Olaf Scholz aufzustellen? Bisher zumindest erfolgreich gemeistert.
Für Normalbürger haben Mutproben dagegen weniger etwas mit Kandidaten, sondern mehr was mit Haustürklingeln oder Zehn-Meter-Türmen im Freibad zu tun. Junge Menschen müssen der Clique beweisen, dass sie es wert sind, dazuzugehören. Sie klingeln bei der Nachbarin Sturm oder schlafen eine Nacht lang allein auf dem Friedhof. Ein bisschen peinlich, ein bisschen herausfordernd waren sie immer, diese Initiationsriten. Gefährlich wurden sie »nur« für Außenseiter, für jene, um deren Wohl sich die Clique nicht scherte. Für die, über die man sich lustig machen konnte, weil sie eh keiner mag – oder sie eh keiner kennt.
Die "Milk Crate Challenge" physikalisch betrachtet - Zwangsläufiger Schmerz: https://t.co/uneRxUPSnA pic.twitter.com/rfK7WiP5TU
— LangweileDich.net ? (@LangweileDich) September 11, 2021
Vielleicht ist es deshalb keine Verwunderung wert, dass auf der sozialen Plattform Tiktok inzwischen sogenannte »Challenges« die Runde machen, bei denen Menschen ihren Leib und ihr Leben gefährden. Nutzer werden von anderen Nutzern dazu aufgerufen, Mutproben zu absolvieren und ein Video davon ins Netz zu stellen. Wie gefährlich die Aufgabe ist? Irrelevant. Man kennt sie sowieso nicht, die Protagonisten. Schnell weitergeklickt wartet der nächste Mutproben-Absolvent auf Zuschauer. Und hofft auf ein »Gefällt mir« für die Waghalsigkeit.
Die »Mutigen« des Tiktok-Universums standen in ihren Videos in den vergangenen Wochen bevorzugt vor einer Pyramide aus leeren Getränke- und Milchkästen. Bereit, die »Milk Crate Challenge« mit Bravour zu bestehen. Einmal die Kisten-Pyramide hochklettern und runterkraxeln – ohne verletzt zu werden. Das wär’s! Nur: Geschafft hat es kaum einer der Video-Helden.
Die, die dazugehören wollten, krachten mit den Kisten zu Boden. Unfallärzte berichten von Rückenmarksverletzungen und Knochenbrüchen. Die Plattform hat Stichwörter gesperrt, unter denen Nutzer die Videos finden. Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen zu Schaden kommen. Bei Tiktok-Mutproben starben bereits einige Menschen. Dabei gibt es Sinnvolles, um sich selbst zu gefährden: Vielleicht sollten die Tiktoker lieber mal über Politik und so reden – in dem Land, aus dem die chinesische Plattform stammt, kann auch das zur richtigen Mutprobe werden. (GEA)