Mit einer pompösen Eröffnungszeremonie auf der Seine will Frankreich den Startschuss für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr geben. Doch für manchen droht die Feier zum Ärgernis zu werden. Denn für das Spektakel sollen Hunderte der berühmten dunkelgrünen Bücherstände an den Seine-Ufern weichen. Verkäufer zeigen sich empört und hoffen auf ein Einlenken der Polizei.
»Wir werden übergangen«, beschwert sich Jérôme Callais vom Kulturverband der Pariser »bouquinistes«, wie die Bücherverkäufer an den traditionellen Ständen an der Seine heißen. »Diese Zeremonie, das ist doch nicht normal. Sie soll Paris zur Geltung bringen, (...), es glorifizieren und wir sollen abwesend sein. Das ist furchtbar«, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Callais zufolge blicken die »bouquinistes« auf eine 450-jährige Geschichte zurück. Die ikonischen dunkelgrünen Metallboxen entstanden im Jahr 1891, wie die Stadt Paris schreibt. Damals wurde den Händlern erlaubt, ihre Ware auch nachts am Verkaufsort zu lassen. Die Farbe der Boxen wurde streng festgelegt, sie sollte zum anderen städtischen Mobiliar passen. Mittlerweile sind die Stände und die »bouquinistes« der Stadt zufolge untrennbar mit der Pariser Landschaft verbunden.
Französisches Kulturgut
Für das Rathaus sind sie eine kulturelle Attraktion und tragen zum Charme der Seine-Ufer bei. Die »bouquinistes« sind Teil des immateriellen französischen Kulturguts und hoffen, es auch auf die Unesco-Weltliste zu schaffen.
Doch in den Augen der Polizei stören sie bei der Olympia-Eröffnungszeremonie, für die die Veranstalter mindestens 600.000 Zuschauerinnen und Zuschauer an den Seine-Ufern erwarten. Die Verkaufsboxen sollten aus dem Schutzbereich für die Zeremonie entfernt werden, wie es in einer Mitteilung von der Polizei heißt. Über die Modalitäten wolle man sich noch austauschen. Auf Anfrage ging sie nicht näher darauf ein, wie lange die Stände entfernt werden sollen. Laut Callais geht es um etwa 600 Stände.
»Wir stellen nicht einmal zehn Prozent der für die Zeremonie verfügbaren Strecke am Ufer dar«, hält Callais dagegen. Es gebe flussauf- wie flussabwärts ausreichend Platz, damit die Leute durchkämen. Die Bücherboxen, die alle verschieden sind, könnten weder in einer noch in zwei Wochen entfernt werden. Und: Um die Stände umzuziehen, müssten sie erst einmal leergeräumt werden. »Und das, das ist eine Heidenarbeit!« Pro Stand würden etwa 1500 bis 2000 Bücher angeboten. Wie solle man die transportieren?
Am meisten sorgt sich der Verkäufer, dass die Stände Schaden nehmen könnten: »Unsere Kisten, die sind teils 100 Jahre alt, die sind zerbrechlich, die sind nicht gemacht, um damit spazieren zu gehen.«
Ersatz-Markt in der Nähe der Seine
Um die Händler nicht auf ihren Problemen sitzen zu lassen, hat die Stadt angeboten, sich um den Abbau der Bücherkisten zu kümmern - ebenso darum, dass sie so schnell wie möglich ihren Weg zurück an die Seine finden. Abgenutzte Kisten könne man zudem renovieren. Und in der Nähe des Flusses wolle man eine Art Markt der »bouquinistes« anbieten. »Die 'bouquinistes' machen nur an den Seine-Ufern Sinn«, mahnt Callais. Die Stadt habe wohl auch ein Lager für die Ware angeboten, doch der Verkäufer findet dies umständlich.
Er wünscht sich, dass die dunkelgrünen Stände an Ort und Stelle bleiben können. Die Polizei solle einfach vor der Zeremonie ihre Sprengstoffexperten vorbeischicken und die Kisten versiegeln. Das sei die offensichtlichste Lösung. »Wir wissen, dass wir gezwungen sein werden, zu schließen. Wir wissen auch, dass wir während der Olympischen Spiele vermutlich nicht aufmachen können. Aber zumindest wissen wir, dass wir unsere Aktivität hinterher normal wieder aufnehmen können, ohne dass unsere Boxen beschädigt wurden.«
Callais hofft, dass die Polizei zum Dialog bereit ist. Unterstützung bekommt er mittlerweile aus der Politik. Die Stadtteilbürgermeisterin des 7. Pariser Arrondissements, Rachida Dati, schrieb auf Twitter, sie wolle sich im Stadtrat für einen Erhalt der »bouquinistes« während der Olympischen Spiele einsetzen. Nur während der Eröffnungszeremonie sollten die Boxen geschlossen sein, die Händler sollten eine Entschädigung erhalten. Die »bouquinistes«, schreibt Dati schließlich, seien »die Seele von Paris«.
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