Im Prozess gegen den auch im Fall Maddie verdächtigen Christian B. wegen schwerer Sexualstraftaten hat die Staatsanwaltschaft zusammen 15 Jahre Gefängnis für den Angeklagten gefordert. Im Anschluss an die Freiheitsstrafe sei eine Unterbringung in Sicherungsverwahrung nötig, sagte Oberstaatsanwältin Ute Lindemann vor dem Landgericht Braunschweig. Sollte es zu solch einem Urteil kommen, könnte der Angeklagte nicht nach Verbüßung der Haft entlassen werden.
Lindemann hatte zuvor in einem mehr als dreistündigen Plädoyer begründet, warum sie den Angeklagten für zwei Vergewaltigungen und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs für schuldig hält. In ihrem Schlussvortrag kritisierte sie die Strafkammer des Landgerichts an mehreren Stellen hart. Lindemann sprach von einer voreingenommenen Kammer, von der sie teils den Eindruck habe, dass sie keine belastenden Feststellungen treffen will.
Maddie-Komplex offiziell nicht Gegenstand des Prozesses
Dem 47-jährigen Deutschen waren zum Auftakt des Prozesses drei Vergewaltigungen sowie zwei Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern vorgeworfen worden, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Der Prozess erweckt größere internationale Aufmerksamkeit, weil der Angeklagte im Fall der verschwundenen dreijährigen Madeleine »Maddie« McCann unter Mordverdacht steht. Der Maddie-Komplex ist aber offiziell nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens. Insgesamt gilt die Unschuldsvermutung.
Schon vor dem Prozess habe die Kammer mit einem langen Zuständigkeitsstreit Zeit verloren und klargemacht, dass sie das Verfahren nicht wolle, sagte Lindemann weiter. Das Oberlandesgericht (OLG) habe erst angewiesen, das Verfahren zu führen. In der Verhandlung habe sie es dann als einmalig empfunden, wie viel Misstrauen, den Ermittlungsbehörden entgegengebracht wurde. »Man hatte teils den Eindruck, dass Beamte auf der Anklagebank sitzen«, sagte Lindemann.
Zwei mutmaßliche Opfer nicht ermittelt - mögliche Videos der Taten verschollen
Mit Blick auf die fünf einzelnen Vorwürfe sagte die Oberstaatsanwältin: »Man muss sich schon die Mühe machen, die Indizien, die den Angeklagten belasten, in der Gesamtschau zu sehen.«
Sie hält Christian B. für schuldig, eine 70 bis 80 Jahre alte Frau in ihrer Ferienwohnung vergewaltigt und dabei gefilmt haben. Einem Zeugen, der angab, die Tat auf einem Video gesehen und den Angeklagten erkannt zu haben, attestierte Lindemann eine »nachvollziehbare Schilderung«. Aber: Das Opfer konnte nie ermittelt werden und der Verbleib des Videos ist unklar.
Dasselbe gilt für die zweite vorgeworfene Vergewaltigung, für die ein weiterer Zeuge aus Sicht der Staatsanwaltschaft bedeutend war. Von der Befragung dieses Zeugen durch die Kammer zeigte sich die Staatsanwaltschaft »erschrocken«. Er sei am Ende so fertig gewesen, dass er die Vergewaltigung einer Jugendlichen vor Gericht nur noch vermutete. Das reiche natürlich nicht und müsse zu einem Freispruch von diesem Vorwurf führen, befand Lindemann.
Mutmaßliches Opfer aus Irland sagte mehrere Tage in Braunschweig aus
Zur dritten vorgeworfenen Vergewaltigung konnte das Opfer aus Irland über mehrere Tage in Braunschweig vernommen werden. Sie habe etwa 20 Jahre nach der Tat eine »beeindruckende Erinnerung« gezeigt und mehrere Merkmale benannt, die auf den Angeklagten zutreffen, sagte die Oberstaatsanwältin. Sie verwies zudem auf das Vorgehen mit sadistischen Zügen, das der Angeklagte in eigenen Texten ähnlich beschrieben habe.
In den angeklagten Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern sieht die Staatsanwaltschaft Christian B. schuldig. Eine zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat im Jahr 2004 zehnjährige Deutsche sei in Braunschweig als Zeugin mit hohem »Verantwortungsbewusstsein« aufgetreten und will den Angeklagten auf später veröffentlichen Bildern »zu 99 Prozent wiedererkannt haben«.
Staatsanwaltschaft hält Angeklagten in zwei Missbrauchsfällen für schuldig
Im zweiten Fall kommt die Staatsanwaltschaft zu der Überzeugung, dass der Angeklagte 2017 vor einem Mädchen masturbiert habe. An diesem Tag wurde der Christian B. festgenommen. Die damals Elfjährige war für den Prozess per Videoschalte in Portugal vernommen worden.
Zusammenfassend forderte die Oberstaatsanwältin für die zwei mutmaßliche Vergewaltigungen und einen mutmaßlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren. Der verbleibende letzte Missbrauchsfall lasse sich aus formaljuristischen Gründen dort nicht einbetten, sagte sie. Daher beantrage Lindemann dafür zwei weitere Jahre Haft.
Urteil könnte am Dienstag fallen
Zwei Vertreter der Nebenklage schlossen sich im Wesentliche der Staatsanwaltschaft an. Am kommenden Montag (7.10.) wird der Schlussvortrag der Verteidiger erwartet, das Urteil könnte dann schon am Dienstag (8.10.) fallen.
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