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Stoppschild aus Rom - Steht der Synodale Weg vor dem Aus?

In einer kurzen Erklärung hat der Vatikan mal eben klargestellt, dass die deutschen Gläubigen ihre Reformbemühen vergessen können. Doch die Brüder und Schwestern aus dem Land Luthers machen weiter.

Papst Franziskus
Papst Franziskus ist und die katholische Kirche in Deutschland haben ein angespanntes Verhältnis. Foto: Evandro Inetti
Papst Franziskus ist und die katholische Kirche in Deutschland haben ein angespanntes Verhältnis.
Foto: Evandro Inetti

Die Deutschen waren vorgewarnt. Manchmal kommt Papst Franziskus ins Schwatzen, und bei einer solchen Gelegenheit hatte der 85 Jahre alte Argentinier kürzlich offenbart, was er von den Reformvorhaben der lieben Brüder und Schwestern in »Alemania« hält: »In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche«, sagte er. »Wir brauchen nicht zwei davon.«

Am Donnerstag nun veröffentlichte der Vatikan völlig überraschend eine Erklärung, die, wie es der Kirchenrechtler Thomas Schüller ausdrückt, alle deutschen Erneuerungsträume »an den römischen Mauern zerplatzen« ließ. Der Synodale Weg in Deutschland sei schlicht »nicht befugt«, neue Formen der Leitung zu entwickeln oder gar Lehre und Moral der Kirche anzupassen. In seiner lapidaren Kürze und Schroffheit konnte das nicht unterzeichnete Schreiben nur als offener Affront gewertet werden. Die Erfurter Theologin Julia Knop übersetzt die Botschaft an die deutschen Gläubigen wie folgt: »Es hat keinen Sinn, dass ihr euch engagiert. Am Ende werdet ihr auf Beton beißen.«

Die beiden Präsidenten des Synodalen Weges, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, und die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sind entsprechend irritiert. Das Vorgehen des Vatikans zeuge »von keinem guten Stil«, kritisieren sie. Zum großen Ärgernis auch von Bätzing weigert sich der Vatikan standhaft, mit Stetter-Karp auch nur zu sprechen. Vermutet wird, dass sie aus vatikanischer Sicht zwei entscheidende Nachteile hat: Erstens gehört sie nicht dem Klerus an. Und zweitens ist sie kein Mann.

Strukturen begünstigen Verbrechen

Der Synodale Weg der deutschen Katholiken ist eine Konsequenz aus dem massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester. Kriminologen und andere Gutachter von außen haben immer wieder hervorgehoben, dass die Strukturen der Kirche solche Verbrechen begünstigen. Dies etwa dadurch, dass die ausschließlich männlichen Entscheidungsträger nach Belieben schalten und walten können. Gleichzeitig sind sie durch den Zölibat zu Ehelosigkeit und »Keuschheit« verpflichtet. Wenn man Missbrauch künftig verhindern wolle, dann müsse sich an diesen Verhältnissen dringend etwas ändern, so die nahezu einhellige Experten-Empfehlung.

Eben das versuchen die Deutsche Bischofskonferenz und das ZdK - die Vertretung der sogenannten Laien - seit 2019 umzusetzen. Sie haben dafür eine Art Kirchenparlament gegründet, die Synodalversammlung, die zu allen Problemfeldern Vorschläge erarbeitet und darüber abstimmt. Weil aber auch die »Synodalen« wissen, dass die katholische Kirche keine Demokratie ist, müssen am Ende alle Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit von den Bischöfen abgesegnet werden. Und selbst dann sind die einzelnen Bischöfe nicht daran gebunden.

Die römische Kurie verfolgt das alles mit Argusaugen. Von Deutschland aus wurde schließlich schon einmal eine Reform der katholischen Kirche in Angriff genommen, die dann allerdings mit einer Spaltung endete: die Reformation Martin Luthers. Und wenn die älteste Institution der Welt in einer Sache nachtragend ist, dann in dieser.

Glauben an den Erfolg

Ist der Synodale Weg damit tot? Nein, die vierte und die fünfte Synodalversammlung würden wie vereinbart im kommenden September und im März 2023 stattfinden, versichert Stetter-Karp der Deutschen Presse-Agentur: »An diesem Plan werden wir selbstverständlich festhalten.«

Julia Knop, eine der engagiertesten Reformerinnen in der Versammlung, glaubt weiter daran, dass der Synodale Weg ein Erfolg werden kann - selbst wenn die angestrebten Reformen am Ende nicht die nötige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe erhalten sollten. »Wenn aber die gesamte Synodalversammlung die Beschlüsse mit großer Mehrheit verabschiedet, wäre das dennoch ein ganz wichtiges Signal.«

Zudem müsse man beachten, dass die Synodalversammlung über Texte aus drei unterschiedlichen Kategorien entscheidet, sagt Knop. Für Kategorie 1 ist die Zustimmung der römischen Zentralverwaltung notwendig. Hier geht sie davon aus, »dass vieles einfach in der Schublade verschwindet«. Die zweite Kategorie wird an die Weltsynode weitergereicht, zu der Papst Franziskus für nächstes Jahr nach Rom eingeladen hat.

Doch es gibt auch noch eine dritte Kategorie von Beschlüssen, und diese fallen in die alleinige Kompetenz der deutschen Kirche. Dazu gehört zum Beispiel die Änderung des katholischen Arbeitsrechts, so dass niemand mehr aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden kann. Ein anderer Punkt ist die Mitbestimmung bei der Bischofsberufung. »Da können Gläubige bei der Vorauswahl der Kandidaten einbezogen werden«, sagt Knop.

Es ist die Frage, ob das ausreichen wird, um den Exodus deutscher Gläubiger zu stoppen - allein im vergangenen Jahr kehrten 359 338 deutsche Katholiken ihrer Kirche den Rücken, so viele wie noch nie. Die große Mehrheit erwartet wohl deutlich mehr, zum Beispiel die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Das allerdings würde nach allgemeiner Einschätzung an ein Wunder grenzen. Und das gibt es ja - außer im Märchen - nur in der Bibel.

Erklärung des Vatikans

Reaktion von Bischof Bätzing und ZdK-Präsidentin Stetter-Karp

© dpa-infocom, dpa:220722-99-112256/4