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Aktuell Faktencheck

Stimmt die Weihnachtsgeschichte?

Gab es den Kindermord von Bethlehem und die Volkszählung? Wissenschaftler haben Zweifel.

War es wirklich so, wie es in dieser Porzellan-Krippe dargestellt wird.  FOTO: KÄSTLE/DPA
War es wirklich so, wie es in dieser Porzellan-Krippe dargestellt wird. FOTO: KÄSTLE/DPA
War es wirklich so, wie es in dieser Porzellan-Krippe dargestellt wird. FOTO: KÄSTLE/DPA

BETHLEHEM. Die Krippenszene ist herzzerreißend: Jesus, der Erlöser, wird als Kind in einem Stall geboren und in eine Krippe gelegt. Hirten und Könige kommen und bringen Geschenke. Doch entspricht das der historischen Wahrheit?

- Wie unterscheiden sich die Evangelien?

Der katholische Theologe Bernhard Lang stellt fest: »In der lukanischen Fassung geht es vor allem um die Armut Jesu: Jesus kommt in ganz einfachen Verhältnissen zur Welt. Ganz anders im Matthäus-Evangelium: Dort ist von Armut überhaupt keine Rede. Könige oder Magier werden aus dem Ausland mit großen Geschenken aufgeboten, um dieser Geschichte Glanz zu verleihen und hier wird eine Art König der Juden inszeniert. Das ist also eine ganz andere Geschichte als im Lukas-Evangelium.« In den beiden anderen Evangelien wird nicht über die Geburt von Jesus berichtet.

- In welchem Jahr ist Jesus geboren?

Eigentlich müsste Jesus im Jahr 0 geboren sein. Es heißt aber im Lukas-Evangelium »zu der Zeit da Quirinius Statthalter in Syrien war«. Puplius Sculpius Quirinius war ab dem Jahr 6 nach Christus Statthalter von Syrien. König Herodes, der in der Weihnachtsgeschichte ebenfalls erwähnt wird, starb aber bereits im Jahr 4 vor Christus. Einige Wissenschaftler versuchten dies zu erklären, indem sie die These aufstellten, Quirinius könne zweimal Statthalter gewesen sein, was sich jedoch nicht durchsetzte.

- Ist Jesus im Dezember geboren?

In der Weihnachtsgeschichte ist von Hirten auf dem Feld die Rede. Im Dezember gibt es zwar in der Gegend um Bethlehem keine Nachtfröste, aber es wachsen kaum Gräser. Deshalb werden die Tiere zu dieser Zeit im Stall gehalten. Schlussfolgern kann man daraus, dass Jesus nicht im Dezember geboren sein kann. Das Datum wurde ohnehin erst im 4. Jahrhundert von Kaiser Konstantin festgelegt, wobei möglicherweise eine Umdeutung des Mithraskults, des Festes des Sonnengottes Sol Invictus eine Rolle spielte. Der Mithraskult teilt mit dem Christentum eine Art Taufritual – jedoch nicht mit Wasser sondern mit Stierblut – und er feiert mit zwölf Anhängern ein letztes Abendmahl, bevor er stirbt, begraben wird und wieder aufersteht. Auch Mithras wird von einem Vatergott ausgesandt, um als Weltretter das Dunkle und Böse zu überwinden. Der Theologe Simone Paganini weist daraufhin, dass im Frühjahr bereits Ostern gefeiert wird und man zwei wichtige Feste nicht nacheinander haben wollte.

- Gab es zur Zeit Jesu Hirten und waren sie arm?

Dass zu Zeiten von Jesus Ziegen und Schafe gehalten wurden, konnten Archäologen bestätigen. Bei diesen Hirten habe es sich nicht um die Ärmsten der Armen gehandelt, sondern um Menschen, die sich ganz gut selbst versorgen konnten und eher eine Art untere Mittelschicht darstellten, sagt Professor Jens Kamlah von der Universität Tübingen.

- Gab es die Volkszählung?

Es gab zwei Arten von Volkszählungen: Den Reichszensus, der die römischen Bürger schätzte und den Provinzialzensus, der die Provinzbewohner ohne römisches Bürgerrecht schätzte. Der Tatenbericht des Augustus erwähnt einen Reichszensus im Jahr 8 vor Christus, der Joseph aber nicht betroffen haben kann. Denn wenn Joseph ein römischer Bürger gewesen wäre, dann hätte Pilatus seinen Sohn nicht kreuzigen lassen dürfen. Der Tübinger Archäologe Philipp Filzinger weist immerhin daraufhin, dass 1961 ein Steuerformular aus dem Jahr 127 nach Christus gefunden wurde. Es beweist, das sich 100 Jahre nach dem Tod von Jesus Einwohner vom Wohnort zum Geburtsort begeben mussten, um dort Steuerformulare abzugeben und ererbten Grundbesitz zu deklarieren. Um Jesus, dessen Vater Josef in Nazareth lebte, als den Messias aus der Prophezeiung des Propheten Jesaja und auch als Nachkommen des legendären Königs David zu legitimieren, musste er in Bethlehem geboren sein. Um zu erklären, warum jemand, der in Nazareth lebte, in Bethlehem geboren wurde, war der Zensus eine plausible Erklärung.

- Gab es den Kindermord zu Bethlehem?

Der Kindermord ist durch keine anderen historischen oder archäologischen Quellen belegt. Der Theologe Paganini weist daraufhin, dass Herodes von seinen eigenen erwachsenen Kindern ermordet werden sollte, weil diese selbst an die Macht kommen wollten. Herodes kam ihnen zuvor, indem er sie umbringen ließ. Was hängen blieb, war, dass Herodes »Kinder« umbringen ließ. Allerdings weist die Geschichte vom Kindermord Parallelen zu der Geschichte von Moses auf. Der Anführer der Israeliten im Alten Testament, überlebte im Weidekörbchen ausgesetzt, einen Kindermord durch den Pharao. Paganini sieht auch Parallelen zu anderen Heldengeschichten der Antike, etwa Herkules, der als Baby von zwei Schlangen angegriffen wird und sie zu-sammenknotet. Er sieht in der Geschichte vom Kindermord ein literarisches Mittel, um zu zeigen, dass Jesus etwas Besonderes ist.

- Ist die ganze Weihnachtsgeschichte nur ein Märchen?

Trotz all dieser Ungereimtheiten und historischen Ungenauigkeiten ist die Weihnachtsgeschichte alles andere als ein Märchen, betont Simone Paganini. Schon den Autoren der Evangelien ging es nämlich nicht primär um historische Fakten, sondern um die »versteckten Glaubenswahrheiten«, die zwischen den Zeilen aufleuchten. Auch heute erinnere Weihnachten an die christliche Kernbotschaft: Gott möchte in der Gestalt dieses Kindes und späteren Mannes unter den Menschen wohnen und ihnen nahe sein. Angesichts dieser Zusage spielten Ort, Datum und weitere Angaben nur eine untergeordnete Rolle. (GEA)