Zwei Wochen nach der Erdbebenkatastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet richten sich die Sorgen nun vor allem auf die Gesundheitsversorgung der betroffenen Bevölkerung. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte am Montag davor, dass sich Infektionskrankheiten in der Region ausbreiten könnten.
Während die unmittelbaren gesundheitlichen Bedürfnisse nach den Beben vor allem mit Traumata und der unterbrochenen Gesundheitsversorgung zusammenhingen, könnten Infektionserkrankungen in den kommenden zwei bis vier Wochen Anlass zur Sorge geben, teilte die Behörde am Montag in Stockholm mit. Die Zahl der Menschen, die durch das Erdbeben getötet wurden, ist inzwischen auf mehr als 47.000 gestiegen, davon 41.156 allein in der Türkei, wie die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad mitteilte. In vielen Provinzen in der Türkei wurden die Sucharbeiten nach Verschütteten beendet.
Es sollen schnell Hilfsgüter geliefert werden
Krankheiten, die durch Lebensmittel und Wasser übertragen werden, sowie Atemwegsinfektionen und durch Impfung vermeidbare Infektionen stellten in der kommenden Zeit ein Risiko dar, erklärte ECDC. Sie hätten das Potenzial, Ausbrüche zu verursachen, insbesondere wenn Überlebende in provisorischen Unterkünften unterkämen.
Derweil sagten Unternehmen und Verbände in Deutschland am Montag dringend benötige Materialien wie Arzneimittel, medizinische Geräte und weitere Produkte im Millionenwert zu, wie das Bundesgesundheitsministerium in Berlin nach einem »Spendengipfel« mitteilte. Die Hilfsgüter sollen schnell in die Krisengebiete gebracht werden - von den Firmen selbst oder in Kooperation mit der türkischen Regierung sowie mit Helfern.
Am Dienstag reisen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in das von den Erdbeben vor zwei Wochen betroffene Gebiet. Die Ministerinnen wollen sich in der Region um das Epizentrum nahe der Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien ein Bild der Lage machen, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin mitteilte.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Montag von einer Jahrhundertkatastrophe und bat die Menschen in Deutschland, langfristig zu helfen. »Was wir jetzt brauchen, ist ausdauernde Solidarität«, sagte er bei einer Gedenkveranstaltung der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des Verbandes Deutsch-Syrischer Hilfsvereine am Brandenburger Tor in Berlin. Das Ausmaß der Zerstörung lasse erahnen, dass es lange dauern werde, bis die Überlebenden regelmäßig mit dem Nötigsten versorgt seien.
Zivilschützer nennen die Hilfe der USA »entscheidend«
US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich am Montag in Ankara fassungslos über die Zerstörungen in der türkisch-syrischen Erdbebenregion. »Es ist schwer in Worte zu fassen«, sagte Blinken am Montag bei einer Pressekonferenz mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu über seine Eindrücke vor Ort. Unzählige Gebäude, Gemeinden und Straßen seien beschädigt oder vollständig zerstört. Blinken hatte sich am Sonntag gemeinsam mit Cavusoglu ein Bild von der Zerstörung in der schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay gemacht.
Während seines Besuches in der syrisch-türkischen Erdbebenregion traf der US-Außenminister auch Vertreter der Rettungsorganisation Weißhelme. Deren stellvertretender Leiter Faruk Habib bezeichnete die Unterstützung der USA bei dem Treffen als »entscheidend«, wie die Zivilschützer am Sonntagabend bei Twitter mitteilten. Blinken habe die Arbeit und Expertise der Weißhelme sowie der Such- und Rettungsteams gelobt und dabei von »heldenhaften Bemühungen« nach der Katastrophe gesprochen.
Unterdessen traf der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Montag zu einem erneuten Besuch in Hatay ein. Auf Bildern, die über den Twitterkanal des türkischen Kommunikationsministeriums verbreitet wurden, sah man Erdogan inmitten einer Menschenmenge. Der Präsident kündigte an, die Städte in der stark zerstörten Provinz zügig wieder aufzubauen. Man wolle Hatay »in all seinen Farben wiederbeleben«, sagte er. Zuvor hatte Erdogan den US-Außenminister am Flughafen in Ankara getroffen, wie das Präsidialbüro mitteilte.
Am 6. Februar morgens hatte ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6.
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