»Mann, is dein Ernst? Lass mich doch mal rein jetzt, Alter. Ich bin seit vier Jahren auf dieser bekackten Schule.« Lukas steht vor dem Gebäude, aber die Sicherheitsleute lassen ihn nicht aufs Gelände, weil er seinen Ausweis vergessen hat. Also schwänzt er kurzerhand und gerät bald in eine Schlägerei, die fatale Folgen haben wird. Mit dieser Szene beginnt Felix Lobrechts Roman »Sonne und Beton«. Es ist die Geschichte von vier Jungs, die im Berliner Süden aufwachsen, in der Neuköllner Gropiusstadt.
Mit dem Roman landete Lobrecht einen Bestseller. Jetzt kommt die Geschichte ins Kino. Kürzlich feierte der Film seine Weltpremiere bei der Berlinale. Lobrecht erschien mit Trainingshose, Golduhr und Filmteam zur Pressekonferenz. David Wnendt (»Feuchtgebiete«, »Er ist wieder da«) führte Regie bei dem Projekt.
Film bringt die 2000er zurück
Und eins kann man sagen: Der Film knallt ordentlich. Mit Cherry Coke, Tastentelefon und Aufnahmen aus der Zeit des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder bringt er die frühen 2000er zurück. Wie im Buch steht Lukas vergeblich vor seiner Schule, trifft danach andere Jungs und wird von Typen im Park zusammengeschlagen. Es fallen dann Sätze wie: »Hast du ma' Spiegel geguckt? Dein ganzes Gesicht ist zerfickt.«
In rund zwei Stunden nimmt einen der Film mit zu zerrütteten Familien und ziellosen Männern, zu Hochhausschluchten und Hinterzimmerdeals, zu freundlichen und weniger freundlichen Menschen. Der Film ist toll besetzt mit vier jungen Schauspielern. Und »Tatort«-Darsteller Jörg Hartmann spielt Lukas' Vater Matthias, der froh ist, bald als Hausmeister an der Universität arbeiten zu können, gerne Zeitung liest und oft sagt: »Der Klügere gibt nach.«
Lukas' älterer Bruder hält das für einen weniger hilfreichen Satz und lebt stattdessen nach der Devise »Der Klügere tritt nach«. Irgendwann kommen Lukas und die Jungs auf die Idee, in die Schule einzubrechen und die neuen Computer zu klauen. »Sonne und Beton« ist ein Gesellschaftspanorama, das einen nachdenken lässt über soziale Gerechtigkeit und die Frage, wie sich Gewalt verselbstständigt.
Mehrere Angebote für Buchverfilmung
Lobrecht ist vor allem als Podcast-Moderator (»Gemischtes Hack«) und als Comedian bekannt. Der 34-Jährige ist mittlerweile so erfolgreich, dass sogar die »New York Times« über ihn geschrieben hat. Angebote, sein Buch zu verfilmen, gab es mehrere. Die Schwergewichte hätten deutlich mehr Geld als sie geboten, erzählte Produzent Fabian Gasmia bei der Berlinale.
Lobrecht aber habe sich für ihr Angebot entschieden, weil er das Gefühl gehabt habe, dort werde der kompromissloseste Film daraus gemacht. Lobrecht bestätigte das und sagte, er habe das Gefühl gehabt, dass sie am ehesten verstanden hätten, worum es in dem Buch wirklich gehe.
Ihm sei beim Film wichtig gewesen, Schauspielerinnen und Schauspieler zu finden, die den Vibe verstünden, sagte Lobrecht der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Berlinale. Dass sich die Dialoge nicht anfühlten wie in deutschen Filmen, sondern dass man die Sprache treffe. »Mir war sehr wichtig, dass das authentisch ist.«
Wer Lobrechts Namen googelt, findet unzählige Interviews mit ihm - von Quatschgesprächen über Brüste, bei denen er eher den Comedian raushängen lässt, bis hin zu politischen Gesprächen über Rollenverteilung und Chancengleichheit mit Olaf Scholz beim Podcast »Machiavelli« von Cosmo. Hier kommt eher der reflektierte, nachdenkliche Felix Lobrecht zum Vorschein.
Kritik für Witz über Affen im Krefelder Zoo
Bei seinen Shows macht er sich oft über politische Korrektheit lustig. Ab und an erntet er Kritik. Als er 2020 zum Beispiel einen Witz über Affen im Krefelder Zoo machte, die bei einem Brand starben, war der Aufschrei im Netz groß. »Leute tragen Wokeness ja auch wie so'n Accessoire gerade«, sagte er vor zwei Jahren im Podcast »Hotel Matze«. Und das seien vor allem etwa reiche Kinder aus Kleinstädten, das mache es zu etwas sehr Elitärem.
Was ihn immer erstaune: Wir lebten in einer »sehr wachen, also woken Zeit«, wo sich mit verschiedensten Diskriminierungsmechanismen und -dimensionen auseinandergesetzt werde und diese wichtige, größte und best erforschte Diskriminierungsdimension - nämlich soziale im Sinne von ökonomische Herkunft - einfach nicht Thema sei, sagte er im SRF. Nichts bestimme ein Leben mehr als die soziale Herkunft.
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