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So hilft die Abnehmspritze einem 62-Jährigen

Patient Behringer nimmt ab für ein gesundes Gewicht. Die Spritze hilft ihm. Doch er will es allein schaffen

Von Adipositas ist ein Viertel der Deutschen betroffen. Starkes Übergewicht ist als Krankheit anerkannt.  FOTO: GRINNY/ADOBE STO
Von Adipositas ist ein Viertel der Deutschen betroffen. Starkes Übergewicht ist als Krankheit anerkannt. FOTO: GRINNY/ADOBE STOCK
Von Adipositas ist ein Viertel der Deutschen betroffen. Starkes Übergewicht ist als Krankheit anerkannt. FOTO: GRINNY/ADOBE STOCK

TÜBINGEN. »Früher war ich der agile Beleibte«, sagt Michael Behringer (Name geändert). »Jetzt bin ich nur noch der Beleibte.« Der Familienvater aus Rheinland-Pfalz hat starkes Übergewicht. »Ich werde immer dicker und träger«, bemerkt er. Das macht ihm Angst: »Nicht mehr aus der Bude rauskommen, nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen: Das ist eine Horrorvorstellung.« Darum nimmt er die Abnehmspritze – und ist begeistert. »Das ist ein Gamechanger«, lobt er. »Aber keine Dauerlösung.«

Behringer ist 62 Jahre alt, 1,74 Meter groß und 110 Kilo schwer. Zumindest bis Anfang des Jahres. Da hatte er einen Body-Mass-Index (BMI) von 36,3, im Arzt-Sprech: Adipositas Grad 2. Seitdem verlor er elf Kilo, wiegt jetzt 99 Kilo. Sein Ziel sind 85 Kilo, leichtes Übergewicht. »So viel wog ich bei meiner Hochzeit«, erinnert er sich. Das motiviert ihn.

»Es geht um meine Gesundheit«, betont Behringer. Jedes Jahr nimmt er zwei Kilo zu – bis er nicht mehr Rennrad fährt, beim Golf der Rücken wehtut. Vater und Großvater hatten Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten. »Da will ich nicht hin«, beschließt er. »Ich will mich wieder schmerzfrei bewegen.«

Doch die Verlockung ist groß. »Ich bin ein Genussmensch«, behauptet der Pfälzer. »Ich esse gern ein Leberwurstbrot und trinke gern ein Glas Wein.« Lebensmittel bedeuten »Lebensqualität« – und Belohnung: »Wenn ich den ganzen Tag in der Firma Stress habe, soll ich mich dann abends zu Hause kasteien?« Und Behringer hat viel Stress, ist selbstständig, führt ein Unternehmen. Da geht er fünfmal am Kühlschrank vorbei, beim sechsten Mal greift er rein – und ist sauer auf sich.

Dann macht Behringer Diät. Etliche sind es im Laufe der Jahre: Keto-Diät, Stoffwechsel-Diät, Weight Watchers. Er isst Grünzeug, notiert Snacks, zählt Kalorien. Verliert 17 Kilo in sieben Wochen. Doch umsonst: »Jedes Mal komme ich wieder in dieselbe Spur«, schildert er seine Erfahrungen. Er isst normal, nimmt zu, wiegt nachher mehr als vorher.

Behringer ist verzweifelt. Bis er die Oscars im Fernsehen schaut. Dort erfährt er von der Abnehmspritze, viele Promis nehmen sie. Er fragt seine Hausärztin. Die verwirft das Präparat als »Lifestyle-Medikament«, empfiehlt stattdessen Ernährungsberatung. Doch das will Behringer nicht. »Ich habe kein Wissensdefizit«, beharrt er. »Ich habe ein Umsetzungsdefizit.« Im Internet googelt er »Abnehmspritze«, stößt bei Youtube auf Birkenfeld. Die zehn Thesen des Professors gefallen ihm. »Adipositas ist keine Charakterschwäche, sondern eine Krankheit«, heißt es da. »Diese Krankheit muss medizinisch behandelt werden.«

Allein schafft er es nicht, davon ist Behringer überzeugt. Darum fasst er an Neujahr den Entschluss: Es muss sich etwas ändern. Also geht er in die Uniklinik Tübingen, lässt sich von Birkenfeld die Abnehmspritze verschreiben. Seitdem verabreicht er sich das Medikament einmal pro Woche. Mit Erfolg: »Der Heißhunger ist weg«, berichtet er. »Mit einer halben Portion bin ich satt.« Isst er trotzdem mehr, drückt der Magen – also lässt er es. Inzwischen fährt er E-Bike, trägt kleinere Kleider, macht wieder Witze: »Ich habe den gleichen Anzug in drei verschiedenen Größen.«

Glücklich ist Behringer trotzdem nicht. Denn wenn er das Medikament weglässt, kommt der Hunger zurück. »Lebenslang Abnehmspritze will ich nicht«, wendet er ein. Aber Übergewicht will er auch nicht. Darum erwägt er zu »schaukeln«, aber das ist auch keine Lösung. »Die Abnehmspritze ist eine Chance, mein Essverhalten zu ändern«, erklärt er. Salat statt Schnitzel. Vielleicht kann er ein gesundes Gewicht dann irgendwann selbst halten – ohne fremde Hilfe. Das ist die Hoffnung. (GEA)