Am 23. Mai 1989 verschwand der Hacker Karl Koch aus Hannover spurlos. Gut eine Woche später entdeckte ein Polizist seine verkohlte Leiche in einem Wald bei Gifhorn. Mit Mühe konnte man neben dem Leichnam die Überreste eines Benzinkanisters erkennen. Hatte sich der 23-Jährige tatsächlich mit dem Sprit selbst übergossen und angezündet, wie die Polizei wenig später verlauten ließ? Der Sky-Dokumentarfilm »23 - Der mysteriöse Tod eines Hackers« beleuchtet nicht nur die rätselhaften Umstände seines Todes, sondern unternimmt einen Anlauf, den politischen Hintergrund aufzuhellen und sich dem Menschen Karl Koch zu nähern.
Zusammen mit seinen Freunden hackte Koch für den KGB und geriet dadurch mitten im Kalten Krieg zwischen die Fronten des deutschen Verfassungsschutzes und des russischen Geheimdienstes. Der Hack wurde später im TV-Magazin »Monitor« als »größter Spionagefall seit Günter Guillaume« bezeichnet. Dabei erwies sich der Vergleich mit dem Spion an der Seite von Bundeskanzler Willy Brandt als völlig überzogen.
Film zitiert aus Original-Aussagen von Karl Koch
Gastgeber der TV-Doku ist Frank Plasberg, der seine journalistische Karriere als Polizeireporter bei der »Münchener Abendzeitung« begann. Anlass für die neuen Recherchen war die Tatsache, dass viele der bislang unter Verschluss gehaltenen Akten nun erstmals eingesehen werden konnten. Der Film zitiert dabei aus Original-Aussagen von Karl Koch bei seinen Vernehmungen durch den Verfassungsschutz, nachdem der KGB-Hack aufgeflogen war. Die von Koch unterzeichneten Vernehmungsprotokolle werden vom Schauspieler August Diehl gesprochen, der ihn einst im Kinofilm »23 Nichts ist so wie es scheint« verkörpert hatte. Der Spielfilm aus dem Jahr 1998 läuft in diesen Tagen ebenfalls auf Sky und WOW.
Die TV-Doku enthält Interviews mit Zeitzeugen wie Hans-Heinrich Hübner, der am sogenannten »KGB-Hack« beteiligt war, Karls Schulfreund Freke Over, seiner »Ziehmutter« Hannah Over und Steffen Wernéry - Gründungsmitglied des Chaos Computer Clubs (CCC). In dem Film geht es aber auch um die Frage, welche Verantwortung für den tragischen Tod die Medien hatten, die damals, zum Teil ohne Rücksicht auf die angeschlagene Psyche des drogensüchtigen Hackers, ihre große Story witterten.
In einem interessanten Nebenstrang wirft der Film auch die Frage nach der Rolle des heutigen russischen Präsidenten Wladimir Putin auf. Putin war während der Zeit, in der die hannoverschen Hacker für Moskau arbeiteten, für den KGB in Dresden tätig. Ein ehemaliger Putin-Vertrauter, der heute in Washington lebt, gibt dazu Einblicke. CCC-Pionier Wernéry sieht jedenfalls im KGB den Hauptverdächtigen. Der Geheimdienst habe am meisten von Kochs Tod profitiert.
Obduktionsbericht weiter unter Verschluss
Der Film schließt aber nicht aus, dass Koch sich in seiner Verzweiflung doch selbst getötet hat. Der Hacker, der sich in der Szene »Hagbard Celine« nach der Hauptfigur des Science-Fiction-Romans »Illuminatus« nannte, verschwand ausgerechnet am 23. Mai 1989 spurlos. Das Datum ist symbolträchtig: 23 und 5 gelten den Weltverschwörern als heilige Zahlen. Und im ersten Band der Trilogie heißt es: »Alle großen Anarchisten starben am 23. des einen oder anderen Monats.«
Bei der Aufklärung des mysteriösen Falls beißen sich Plasberg und sein Team an einer Stelle jedoch die Zähne aus. Ihnen gelang es zwar, viele bislang unbekannte Akten aus den Archivschränken der Behörden an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Obduktionsbericht liegt aber bis heute bei der Generalbundesanwaltschaft. »Wir haben Anwälte eingeschaltet, aber die Generalbundesanwaltschaft mauerte und argumentierte mit Karl Kochs postmortalem Persönlichkeitsrecht«, berichtet Autor Benjamin Braun. »Das ist verwunderlich, denn viele Akten in diesem Fall wurden zur Einsicht freigegeben. Nur eben der Obduktionsbericht nicht«, sagt Frank Plasberg.
»23 - Der mysteriöse Tod eines Hackers« läuft ab dem 7. Dezember auf Sky und dem Streamingdienst WOW.
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