Logo
Aktuell Panorama

Schon mehr als 100 Tote nach Regen und Erdrutschen bei Rio

Feuerwehr und Bewohner suchen unter Trümmern und Schlamm im Bergland von Rio de Janeiro weiter nach Vermissten. Die Zahl der Toten könnte noch steigen, viele Menschen werden vermisst.

Rettungskräfte in Rio de Janeiro
Rettungskräfte suchen im brasilianischen Petropolis mit einem Spürhund nach den Opfern eines Erdrutsches. Foto: Silvia Izquierdo
Rettungskräfte suchen im brasilianischen Petropolis mit einem Spürhund nach den Opfern eines Erdrutsches.
Foto: Silvia Izquierdo

Nach Erdrutschen und Überschwemmungen in Folge von heftigem Regen ist die Zahl der Toten in der Bergregion des brasilianischen Bundesstaates Rio de Janeiro auf mindestens 108 gestiegen. Dies teilte die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro mit.

Demnach wurden 33 Tote identifiziert, acht Kinder waren unter den Opfern. Am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) ging ein kurzer Regenschauer über Petrópolis nieder. Ein weiterer Erdrutsch führte dazu, dass die Bewohner eines Viertels in Sicherheit gebracht wurden. Auch wenn es nicht regnet, besteht Experten zufolge aufgrund des feuchten Bodens die Gefahr, dass sich erneut Erdmassen lösen.

Die Zahl der Vermissten war am Donnerstag unklar. »Wir kennen noch nicht das ganze Ausmaß der Katastrophe«, hatte der Bürgermeister von Petrópolis, Rubens Bomtempo, in einer Pressekonferenz am Mittwoch gesagt. Hunderte Rettungskräfte und Bewohner suchten unter Trümmern und Schlamm weiter nach Verschütteten. Nach Angaben des brasilianischen Nachrichtenportals »G1« wurden 134 Menschen vermisst.

Insgesamt 24 Personen wurden bislang gerettet. Unter den Überlebenden waren demnach zwei Männer, die in einem Bus in einen Fluss gerissen worden waren. Mindestens 80 Häuser wurden von einer Schlammlawine erfasst, mehr als 180 Bewohner von Risikogebieten fanden laut Zivilschutz in Schulen Unterschlupf. Mehr als 370 Einwohner aus zerstörten Häusern wurden laut »G1« in Notunterkünfte gebracht.

Der schlimmste Regen seit 1932

Am Dienstag hatte es nach Angaben des Wettersenders Climatempo in sechs Stunden mehr geregnet, als für den gesamten Monat Februar erwartet war. »Es war der schlimmste Regen in Petrópolis seit 1932«, sagte Gouverneur Cláudio Castro laut der Mitteilung. Hänge rutschten ab, Autos und selbst große Stadtbusse wurden von den Wassermassen mitgerissen, Straßen waren blockiert. »Es ist fast eine Kriegssituation«, sagte Castro. Auch wenn es nicht regnet, besteht Experten zufolge aufgrund des feuchten Bodens die Gefahr, dass sich erneut Erdmassen lösen.

Bei den Bergungs- und Aufräumarbeiten waren Hunderte Feuerwehrleute und Polizisten im Einsatz. »Unsere Aufgabe ist es nun, das Leben in der Stadt wieder in Gang zu bringen«, sagte Gouverneur Castro. »Wir haben Teams und Maschinen mobilisiert und werden alles Nötige tun, um die Stadt wieder aufzubauen und den Schmerz der Familien der Opfer zu lindern.« Castro verabschiedete zwei Gesetze, mit denen die Stadt und ihre Bewohner finanziell begünstigt werden sollen, wie aus einer Mitteilung am Donnerstag hervorging. Sowohl staatliche als auch private Spendenaktionen liefen an. Am meisten wurden Wasser und Hygieneartikel benötigt.

Im Januar, Februar und März kommt es in Rio und der Region immer wieder zu heftigen Regenfällen. Die Sängerin Elis Regina und der Komponist Antônio Carlos »Tom« Jobim setzten dem Regen in dem Bossa-Nova-Song »Águas de Março« (wörtlich übersetzt: Wasser des März) in den 1970er Jahren sogar ein musikalisches Denkmal.

Abwasser- und Kanalsysteme vernachlässigt

Oft haben die Bewohner ihre Häuser illegal an erdrutschgefährdete Berghänge gebaut. Teile von Rio de Janeiro werden auch von sogenannten Milizen kontrolliert, die ins Immobiliengeschäft eingestiegen sind. Dabei werden die Bauvorschriften offenbar nicht immer beachtet.

Zudem sind Abwasser- und Kanalsysteme in vielen Städten nicht mitgewachsen, die Investitionen in sanitäre Einrichtungen, Entwässerung, Hochwasser- und Hangschutz werden vernachlässigt. Bei einer Unwetterkatastrophe im Bergland von Rio de Janeiro 2011 waren mehr als 900 Menschen ums Leben gekommen. Sie galt als die schlimmste in der Geschichte Brasiliens.

Davon war unter anderem auch Petrópolis mit seinen rund 300 000 Einwohnern besonders betroffen. Die von deutschen Einwanderern geprägte Stadt, die einst der Sommersitz der brasilianischen Kaiserfamilie war, ist aufgrund ihrer Lage auf mehr als 800 Metern Höhe und des kühleren Klimas in den tropisch-heißen Sommermonaten auf der Südhalbkugel auch bei Einwohnern Rios als Urlaubsort beliebt.

© dpa-infocom, dpa:220217-99-164015/8