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Schon 2800 Tote nach Erdbeben in Marokko: Hoffnung schwindet

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Nach dem schweren Erdbeben in Marokko versuchen die Einsatzkräfte, in schwer zugängliche Bergdörfer zu gelangen. Hunderte Menschen werden noch vermisst.

Suche nach Überlebenden
Mitglieder der spanischen Military Emergency Unit suchen nahe Khair Anougal unter einem eingestürzten Gebäude nach Überlebenden. Foto: Spanish Defence Ministry/DPA
Mitglieder der spanischen Military Emergency Unit suchen nahe Khair Anougal unter einem eingestürzten Gebäude nach Überlebenden.
Foto: Spanish Defence Ministry/DPA

Eine halbe Woche nach dem schweren Erdbeben in Marokko schwindet die Hoffnung auf Überlebende. In den schwer zugänglichen Gebieten läuft die Suche nach Hunderten Vermissten weiter. Für die Einsatzkräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Experten geben einen Richtwert von 72 Stunden an, in denen ein Mensch höchstens ohne Wasser auskommen kann.

Nach Angaben der Regierung wurden bis zum Abend mindestens 2862 Tote gezählt, mindestens 2562 weitere Menschen wurden verletzt.

Das Erdbeben der Stärke 6,8 - das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko - ereignete sich am späten Freitagabend. Das Epizentrum lag südwestlich von Marrakesch. Seither wurde das nordafrikanische Land von mehreren Nachbeben heimgesucht.

Militärhubschrauber werfen Hilfspakete ab

Soldaten versuchen, mit Unterstützung ausländischer Hilfsteams in entlegene Bergdörfer vorzudringen. Mit Bulldozern müssen in dem zerklüfteten Gelände Straßen von Geröll befreit werden, damit Krankenwagen nach Erdrutschen durchkommen.

Die Behörden hätten mittlerweile Feldlazarette in der Nähe des Epizentrums eingerichtet, um dort Verletzte zu versorgen, sagte Justizminister Abdel Latif Wehbe dem arabischen Fernsehsender Al-Arabiya am Montag. Derzeit könne man die genaue Anzahl der Toten und Schäden nicht klären.

Am Montag warfen Militärhubschrauber Hilfspakete über schwer zugänglichen Gebieten ab. Die Europäische Union stellte eine Million Euro für humanitäre Hilfe bereit. Das Geld solle helfen, die dringendsten Bedürfnisse der am stärksten Betroffenen zu decken. Zudem stehe die Kommission mit den EU-Staaten in Kontakt, um Einsatzteams zu mobilisieren, falls Marokko darum bitte, hieß es.

Frankreich unterstützt den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in dem Land mit fünf Millionen Euro.

Deutsche Hilfe bisher nicht angefragt

Deutschland bot Marokko erneut Hilfe an. Bislang zeigte die Regierung in Rabat daran jedoch kein Interesse. Marokko habe sich aber für das Angebot bedankt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auf die Frage, ob der Verzicht auf deutsche Unterstützung womöglich politische Gründe haben könnte, antwortete er: »Ich glaube, politische Gründe kann man hier ausschließen für unseren Fall.« Die diplomatischen Beziehungen zu Marokko seien gut.

Der Streit über die Westsahara hatte die deutsch-marokkanischen Beziehungen 2021 in eine Krise gestürzt. Auf dem Höhepunkt zog Marokko seine Botschafterin für mehrere Monate aus Berlin ab. Im Sommer 2022 näherten sich die beiden Staaten wieder an.

Im Mai erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Tätigkeit gegen einen Marokkaner. Ihm wird vorgeworfen, Anhänger einer marokkanischen Protestbewegung ausgespäht zu haben.

Großbritannien ist mit 60 Such- und Rettungsexperten samt Ausrüstungen sowie vier Suchhunden in Marokko, um die Einsätze unter marokkanischer Führung zu unterstützen, wie der britische Botschafter Simon Martin auf der Social-Media-Plattform X (vormals Twitter) mitteilte. Auch eine Spezialeinheit des spanischen Militärs mit Suchhunden beteiligt sich an den Bergungseinsätzen.

Obwohl auch andere Länder, darunter eben Deutschland, Hilfe anboten, nahm Marokko zunächst nur von vier Ländern Unterstützung an. Das Innenministerium hatte am späten Sonntagabend erklärt, die Behörden hätten eine genaue Bewertung der Bedürfnisse vor Ort vorgenommen. Dabei sei berücksichtigt worden, dass ein Mangel an Koordinierung in solchen Situationen zu nachteiligen Ergebnissen führe. Daher habe man zunächst »auf die Unterstützungsangebote der befreundeten Länder Spanien, Katar, Großbritannien und Vereinigte Arabische Emirate reagiert«, hieß es in der Erklärung.

Die Hilfsorganisation Care sagte, die Bevölkerung brauche neben humanitärer Hilfe nun auch vor allem psychologische Unterstützung. »Neben den enormen physischen Verwüstungen wiegt vor allem auch der emotionale Schaden, der von dem erlebten Grauen und der ausgestandenen Angst verursacht wurde, sehr schwer«, erklärte Hlima Razkaoui, Generalsekretärin von Care Marokko, in einem am Montag veröffentlichten Bericht der Organisation.

Die Regierung in Marokko kündigte einen Sonderfonds für die notleidende Bevölkerung an. Damit sollten unter anderem Kosten zur Absicherung beschädigter Häuser gedeckt werden, berichtete die Nachrichtenseite »Hespress« unter Berufung auf einen Regierungssprecher. Zur Höhe des Hilfsfonds gab es zunächst keine Angaben.

© dpa-infocom, dpa:230911-99-148849/14