BERLIN/WIEN. Penny Lanz ist mutig, unerschrocken und manchmal ein bisschen furchtloser als ihre Darstellerin selbst. Schauspielerin Lilian Klebow spricht im Interview über ihre Ermittlerinnen-Rolle in »SOKO Wien«, intensiven Trainingseinheiten, Stunts – und warum es auch nach 20 Jahren nicht langweilig wird.
GEA: Frau Klebow, Sie haben bereits als Kind im Ensemble der Bayerischen Staatsoper gestanden und später nicht nur Schauspiel, sondern auch Musical und Tanz studiert. Hat Ihnen diese Ausbildung für ihre Arbeit heute etwas gebracht?
Lilian Klebow: Ja, ich denke, dass jede körperliche Ausbildung im Schauspiel etwas bringt. Und vielleicht war es für mich und meine Rolle der Penny Lanz sogar ausschlaggebend. Auch die Polizisten, die mich ausgebildet haben, sagten, weil ich vom Tanz komme, hätte ich ein extrem gutes Körpergefühl – das man so eben auch für eine Kampfsportausbildung einer Sondereinheit bräuchte.
»Ich habe einige Ausbildungseinheiten bei der Cobra, einem österreichischen Sondereinsatzkommando, gemacht.«
GEA: Das heißt, sie haben bei der Polizei eine Ausbildung für ihre Rolle absolviert? Wie sah das aus?
Klebow: Ich habe neben einem Schiffsführerschein und einem Tauchschein einige Ausbildungseinheiten bei der Cobra, einem österreichischen Sondereinsatzkommando, gemacht. Die haben uns eingeladen – etwa zum Schießstand oder zu taktischen Trainingsübungen. Aber ich habe auch für meine Arbeit an meiner Figur Penny Lanz viele Fragen gehabt: Wie ist euer Alltag? Wie geht ihr damit um, wenn einem Kollegen von euch was passiert? Außerdem habe ich jeden Polizisten gefragt: Warum bist du zur Polizei gegangen? Meist mit der gleichen Antwort: »Weil ich die Welt zu einem besseren Platz machen will.« Das hat mich in meiner Rollenrecherche sehr bewegt.
GEA: Bei so viel Training – wie sieht es bei den Stunts am Set aus: Machen Sie vieles selbst oder arbeiten Sie mit Doubles?
Klebow: Es gibt immer einen Moment, in dem das Double übernimmt. Denn es ist einfach so: Wenn du schnell in eine körperliche Anstrengung gehst – etwa wenn du eine Prügelei drehst oder sehr körperliche Szenen – dann hast du saure Muskeln am nächsten Tag.
Der Beruf ist schon seltsam: Man spielt zwar eine Rolle, aber trotzdem ist es dein eigener Körper, in dem sich die Angsthormone befinden, die du gerade noch gespielt und erzeugt hast. Nicht der einer Figur, die sich davon abspalten ließe. Ich war deshalb manchmal wirklich drei oder vier Tage lang mental wie körperlich extrem erschöpft.
»Es ist dein Körper, in dem sich die Angsthormone befinden, die du in deiner Rolle gerade erzeugt hast.«
GEA: Sie spielen Penny Lanz nun seit fast 20 Jahren. Wie verändert sich da das Verhältnis zur Figur – wird es irgendwann langweilig?
Klebow: Es wird nicht langweilig. Ich war zu Beginn eine junge Schauspielerin, und da war ich der jungen Penny sehr ähnlich, die neu bei der Polizei war. Sie hatte große Träume, aber hatte noch nicht das Handwerk. Ich habe mich freispielen dürfen. Es haben die Geschichten gewechselt, die Kollegen. Schauspiel ist, sich neugierig und offen einzulassen und mit jedem Kollegen und jeder Kollegin etwas Eigenes zu erleben. Mit manchen harmonierst du mehr, mit anderen weniger. Beides kann für den Zuschauer spannend sein. Generell ist es ein Riesengeschenk, eine Rolle so lange spielen zu dürfen. Ich bin ein irrsinnig neugieriger Mensch, das ist wahrscheinlich das, was mich am besten beschreibt. Auch darum wird mir nicht langweilig.
GEA: Unterscheiden Sie sich heute, zwei Jahrzehnte später, mehr von Penny Lanz?
Klebow: Penny ist heute ganz anders als ich. Sie ist eine einsame Wölfin, bei der nie eine Beziehung geklappt hat und die auch noch immer keine Kinder hat. Im Grunde ist sie mit ihrem Beruf verheiratet und unter dem Strich teilweise wahrscheinlich nicht sehr glücklich. Sie hat ihren Beruf, aber kann mit dem ganzen anderen nicht viel anfangen. Ich dagegen bin das krasse Gegenteil davon geworden. Also Penny ist viel krasser und mutiger als ich. Sie schreit Leute an, geht körperlich rein. Sie schreckt vor gar nichts zurück. Früher war sie anders, aber jetzt ist sie sehr angstfrei, vielleicht weil sie nicht sehr viel zu verlieren hat. Ich hingegen schon.
» Ich bin mehr der Diplomat von uns beiden. Und sanft, sehr viel sanfter.«
GEA: Gibt es trotz dieser Unterschiede auch Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Ihrer Figur?
Klebow: Wir sind beide ziemliche Gerechtigkeitsfanatikerinnen. Wenn wir von etwas überzeugt sind, dann kämpfen wir dafür. Ich bin auch mutig – natürlich nicht so mutig – aber ich erhebe trotzdem selbst meine Stimme. Das tut sie auch, sie lässt nichts auf sich sitzen. Ich würde sagen, ich bin mehr der Diplomat von uns beiden. Und sanft, sehr viel sanfter. Ich denke mir oft: Mit Penny Lanz kann ich eine Seite ausleben, die ich so als Mutter, die ganz andere Erfahrungen im Leben gemacht hat, sonst nicht ausleben könnte. Ich habe in den letzten zehn Jahren gemerkt, dass meine Verletzlichkeit eigentlich die größte Kraft ist, die ich besitze – und nicht meine vermeintliche Coolness nach außen.
GEA: Gibt es Lieblingsszenen aus all den Jahren, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Klebow: Ich habe fast an jedem Tag eine Lieblingsszene, und in jeder Staffel Kollegen, mit denen ich wahnsinnig gerne gespielt habe. Es gibt eine Folge, die ich immer gerne nenne: »Der Tag, an dem Penny Lanz starb.« Das waren unfassbare Dreharbeiten. Sie wird angeschossen und durchlebt die fünf Phasen des Sterbens. Da sieht sie quasi, wie sie im Wasser versinkt, mit einem Schuss in der Brust und diese fünf Phasen spielen sich ab. In diesen wird die Geschichte erzählt – von einem Verrat eines Kollegen, den sie als Freund erachtet hatte. Das war eine unfassbare Geschichte, auch was die Stunts betraf. Mich da ins Wasser zu schmeißen und diese Impacts [körperlichen Effekte, bei denen der Körper für die Kamera realistisch getroffen wird, Anm. d. Red.], die man auf die Brust montiert bekommt. Das hat schon was von Hollywood. Es war toll, das spielen zu dürfen. Aber man ist natürlich sehr froh, dass man wieder aufstehen darf.

GEA: Wenn Sie an die neue Staffel denken – welche Folge kommt Ihnen da in den Sinn?
Klebow: Oh ja. Ich weiß noch: »Funkenflug« ist meine Lieblingsfolge gewesen. Da hat sich Penny in einen Journalisten verliebt, der für ein einschlägiges Blatt schreibt und manchmal seine Informationen auf etwas seltsame Art und Weise bekommt. Trotzdem haben die beiden sich auf einer menschlichen Ebene getroffen, da gab’s wunderbare Szenen. Sie verachtet diesen Journalisten eigentlich, weil er ihr natürlich an Tatorten permanent auf die Nerven geht. Irgendwann merkt sie aber: Er ist menschlich gesehen spannend. Sie beginnt sich in ihn zu verlieben, und er fragt, ob sie mit ihm ausgeht, was sie schließlich tun. Dabei liefert sie ihm ein paar Informationen zu dem Fall. Sie versucht zwar, Privates und Beruf zu trennen, aber sie wäre nicht Penny Lanz, wenn das Ganze natürlich nicht schlecht endet. (GEA)
Zur Person
Lilian Klebow, geboren 1977 im Münchner Olympiadorf, ist eine deutsche Schauspielerin, Moderatorin, Sängerin und Autorin. Bekannt wurde sie vor allem als Penny Lanz in »SOKO Wien / SOKO Donau«, eine Rolle, die sie seit 2005 verkörpert. Daneben hatte sie Rollen in »Stadt Land Mord!«, den Kinofilmen »Beautiful Girl« » oder zuletzt «HAPPY»«. Mit acht Jahren begann Klebow im Kinderensemble der Bayerischen Staatsoper. Ab elf absolvierte sie eine Tanzausbildung und mit 17 erhielt sie ihren ersten Plattenvertrag als Sängerin und nahm 1997 mit der Band »All About Angels« an der deutschen ESC-Vorentscheidung teil. (kim)

