Nach polizeilichen Ermittlungen wegen Volksverhetzung hat der umstrittene Rockmusiker Roger Waters seinen Auftritt in Frankfurt ohne Ledermantel und Armbinde bestritten. Weil er die Geschichte der Frankfurter Festhalle kenne, verzichte er darauf, sich im zweiten Teil seiner Show »als Demagoge« zu verkleiden, sagte Waters gestern Abend zu Beginn seines gut zweieinhalbstündigen Konzerts.
Dem Mitbegründer der Rockband Pink Floyd wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen, deshalb hatten zuvor hunderte Menschen vor der Festhalle gegen seinen Auftritt demonstriert, darunter auch der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD). Er warf Waters vor, »unter dem Deckmantel der Freiheit« antisemitisches Gedankengut zu verbreiten, »und so jemanden wollen wir nicht in unserer Stadt haben«.
Kritik an seinen Auftritten
In der Frankfurter Festhalle als Veranstaltungsort des Konzerts waren im Zuge der Pogromnacht 1938 mehr als 3000 jüdische Männer zusammengetrieben, festgehalten und misshandelt worden, um schließlich deportiert zu werden. Waters sagte, er fühle das Leid, das den Menschen an diesem Ort widerfahren sei.
Er wisse, dass ihm viele Menschen vorwerfen, ein Antisemit zu sein. »Das bin ich nicht«, so Waters unter dem Jubel vieler Zuschauer. Kurzzeitig brach der Musiker auch in Tränen aus.
Bei Konzerten hatte der 79-Jährige auch Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen lassen. Auch in Frankfurt gab es am Abend einen solchen Ballon, aber wie bei den anderen bisherigen Deutschland-Konzerten ohne Davidstern. Eine Animation mit Schweinen wurde allerdings auch zum Pink-Floyd-Klassiker »Money« auf die Leinwände projiziert.
Im schnellen Wechsel erscheinen dort auch zu anderen Pink-Floyd-Klassikern von Alben wie »The Dark Side of the Moon«, »Wish You Were Here« und »Animals« sowie zu Solo-Songs von Waters politische Parolen und Slogans - gegen Kapitalismus, Krieg, Militarismus und zu anderen Themen. Mehrfach ergriff der Musiker das Wort und gab politische Statements ab.
Zeichen gegen Antisemitismus
Bei der Gedenk- und Protestveranstaltung vor der Festhalle hatten Vertreter aus Politik, von Religionsgemeinschaften und aus der Zivilgesellschaft zuvor zum entschiedenen Eintreten gegen Antisemitismus, Hass und Hetze aufgerufen. Man wolle ein Zeichen gegen Antisemitismus, gegen Israel-Hass und gegen Verschwörungstheorien setzen, sagte Michaela Fuhrmann, Leiterin Politische Beziehungen der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.
Die Polizei sprach von rund 500 Teilnehmern. Einige von ihnen hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie »Israel, wir sind an Deiner Seite« und »Roger Waters, wish you were not here« (deutsch: Roger Waters, wir wünschten, Du wärest nicht hier) und »Roger Waters, we don’t need your education« (Roger Waters, wir brauchen deine Erziehung nicht) als Anspielung auf zwei der bekanntesten Songs von Pink Floyd, bei der Waters einer der Sänger war.
»Judenhass ist überall in unserer Stadt zu verurteilen, aber dass sich ausgerechnet hier an diesem Ort wieder die Stimme des Judenhasses erhebt, ist unerträglich«, sagte Oberbürgermeister Josef (SPD). Dies dürfe sich nicht wiederholen. »Es gibt keinen Grund, einen Menschen wegen seiner Religion zu hassen, zu beleidigen und anzugreifen.« Die Bürgerpflicht sei, »jeden Tag klare Kante gegen Antisemitismus zu zeigen«.
Auch der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) erklärte, es dürfe in keiner Halle in Deutschland Hass gegen Jüdinnen und Juden gesungen oder zum Ausdruck gebracht werden. Es sei schrecklich zu begreifen, dass 85 Jahre nach der Pogromnacht 1938 die Ereignisse verharmlost, dass Hass und Hetze verbreitet würden.
Polizei ermittelt
Bereits zuvor hatte es bundesweit viel Kritik an den Konzerten von Waters gegeben. Dem 79-Jährigen wird seine Nähe zur BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) vorgeworfen, die zum Boykott des Staates Israel und seiner Güter wegen des Vorgehens gegenüber den Palästinensern aufruft.
Am Freitag war zudem bekanntgeworden, dass die Berliner Polizei Ermittlungen gegen Waters wegen des Verdachts der Volksverhetzung aufgenommen hat. Hintergrund ist die Bühnenbekleidung des Musikers während seiner Konzerte am 17. und 18. Mai in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin.
So war er in Videos in sozialen Medien in einem langen schwarzen Mantel mit Schulterklappen und einer roten Armbinde zu sehen, auf der ein weißer Kreis mit einem Symbol abgebildet ist. Auch in München stand Waters vor einer Woche zeitweise in schwarzem Ledermantel und mit roter Armbinde auf der Bühne.
Waters hatte sich schon vor dem Frankfurter Konzert gegen den Verdacht der Volksverhetzung gewehrt. »Die Elemente meines Auftritts, die infrage gestellt wurden, sind ganz klar ein Statement gegen Faschismus, Ungerechtigkeit und Bigotterie in all ihren Formen«, hieß es in einem Statement, das ein Anwalt Waters' veröffentlicht hatte.
Ursprünglich sollte Waters‘ Show in Frankfurt wegen der Antisemitismusvorwürfe abgesagt werden. Waters hatte dagegen geklagt und vom Frankfurter Verwaltungsgericht Ende April Recht bekommen. Das Gericht hatte sich in seiner Entscheidung auch auf die Kunstfreiheit berufen. Zwar bediene sich Waters im Rahmen seiner Bühnenshow offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik. Der Auftritt relativiere oder verherrliche aber nicht die nationalsozialistischen Gräueltaten, befand das Gericht.
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