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RBB-Krise: Was die Interims-Chefin der Nachfolge übergibt

Der ARD-Sender RBB stürzte vor einem Jahr in eine beispiellose Krise. WDR-Managerin Katrin Vernau sprang als Interims-Chefin ein und festigte das Haus wieder. Demnächst endet ihre Zeit. Aber wann?

RBB-Intendantenwahl: Vernau und Demmer
Ulrike Demmer (r), künftige RBB-Intendantin, und die scheidende Interimsintendantin Katrin Vernau bei einer Pressekonferenz. Foto: Monika Skolimowska/DPA
Ulrike Demmer (r), künftige RBB-Intendantin, und die scheidende Interimsintendantin Katrin Vernau bei einer Pressekonferenz.
Foto: Monika Skolimowska/DPA

Massagesitze, Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft, undurchsichtige Boni für Führungskräfte, Mängel bei der Sender-Kontrolle, Untersuchungsausschuss, eine entlassene Intendantin, drohende Millionenlücke im Budget: Das vergangene Jahr des ARD-Hauses Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) lässt sich anhand vieler Episoden erzählen. Die Aufarbeitung des Skandals und die Neuausrichtung werden noch lange dauern. Längst läuft parallel eine weitere Debatte um die Höhe des Rundfunkbeitrags. Schemenhaft deuten sich beim RBB mögliche Konsequenzen an.

Demnächst steht ein entscheidender Übergang im Sender bevor: Die ehemalige stellvertretende Sprecherin der schwarz-roten Bundesregierung und Journalistin Ulrike Demmer übernimmt als RBB-Intendantin von Interims-Chefin Katrin Vernau.

So kurios, wie sich vieles in der Krise beim RBB ereignete: Vernau kennt immer noch nicht ihren genauen letzten Arbeitstag. Spätestens am 14. September ist beim RBB Schluss. Danach kehrt die 50-Jährige zum Westdeutschen Rundfunk (WDR) zurück, wo sie als Verwaltungsdirektorin beurlaubt ist. RBB-Verwaltungsratschef Benjamin Ehlers stellte auf dpa-Anfrage nun den 1. September als Starttermin für Demmer in Aussicht. Das Gremium handelt den Vertrag aus.

Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Verschwendung

Die 50 Jahre alte Managerin Vernau war im Herbst eingesprungen. Das Haus war in einem aufgewühlten Zustand. Man wusste nicht einmal mehr, ob der RBB in seiner Form weiterbestehen würde. Im Zentrum stehen Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Verschwendung gegen die fristlos entlassene Intendantin Patricia Schlesinger und den zurückgetretenen Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf, die beide zurückwiesen. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt noch, es gilt bis dahin die Unschuldsvermutung.

Vernau sagte der Deutschen Presse-Agentur rückblickend zu ihrem Start: »Es war eine Belegschaft, die in Aufruhr war. Man könnte fast sagen, in teilweise revolutionärer Stimmung. Viele waren empört, frustriert, wütend und auch ein Stück ratlos.«

Vernau: »Man hätte mich fragen können«

Die Interims-Chefin brachte in beachtlichem Tempo wieder Struktur zurück. Sie klärte intern auf, beendete das kostenexplodierende Bauprojekt Digitales Medienhaus, stärkte die Innenrevision, legte die drohende Millionenlücke offen und schob einen 49-Millionen-Euro-Sparplan samt Stellenabbau an. Sie legte in den Landtagen von Brandenburg und Berlin Rechenschaft ab. Sie kündigte Geschäftsleitungsmitgliedern. All das brachte ihr Respekt ein. Die zähen Tarifverhandlungen führten im Haus hingegen zu Kritik.

Vernau selbst hätte den Intendantinnen-Job weitergemacht, bewarb sich aber nicht. Die 50-Jährige sagte der dpa rückblickend: »Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass man mich hätte fragen können, wenn man Interesse gehabt hätte, dass ich hier weitermache. Es ist sogar die Verantwortung einer Findungskommission, nicht nur eine Stellenanzeige zu schalten, sondern auch - wenn sie denkt, dass es geeignete andere Kandidaten gibt, die sich nicht formal sofort beworben haben - die dann auch anzusprechen.«

Finanzen im Fokus

Die neue Sender-Chefin wird viel mit den Finanzen beschäftigt sein. »Wichtig ist jetzt, dass die strategische Weichenstellung inklusive des Sparpakets fortgeführt wird. Der RBB ist nach wie vor finanziell in einer Situation, die eine konsequente Umsetzung zwingend erforderlich macht«, sagte Vernau. »Wir müssen mittelfristig in mehreren Szenarien denken, weil wir eine erhebliche Unsicherheit mit Blick auf die Inflation und die nächste Beitragsperiode haben.«

Längst dreht sich die politische Debatte darum, ob der Rundfunkbeitrag - derzeit 18,36 Euro monatlich - ab 2025 steigen sollte. Einige Ministerpräsidenten haben bemerkenswerterweise - auch mit Blick auf den RBB-Skandal - schon Nein gesagt, obwohl die Berechnung und Empfehlung der unabhängigen Finanzkommission KEF noch aussteht.

Vernau zeigt mögliche Konsequenzen auf: »Wir haben beim RBB aktuell ein Konfliktthema, das sind unsere laufenden Tarifverhandlungen. Durch die 100 Stellen, die wir bis Ende 2024 einsparen, ist der Tarifvertrag auch in der nächsten Beitragsperiode durchfinanziert.« Man könnte ihn abschließen. »Allerdings zeigen sich dunkle Gewitterwolken am Horizont der kommenden Beitragsperiode, die wir berücksichtigen sollten, damit Handlungsspielräume bestehen bleiben.«

Beitragsplus oder Sparrunde?

Und: »Wenn keine Beitragsanpassung kommt, kann man auch keine Tarifsteigerung machen.« Laut Vernau meldete der RBB bei der KEF einen Bedarf an, womit der Sender in der Beitragsperiode 2025 bis 2028 über die vier Jahre insgesamt 150 Millionen Euro mehr hätte. Käme ein Beitragsplus nicht, rechnet sie mit einer weiteren Sparrunde. Die Gesamterträge des RBB lagen im Jahr 2022 bei rund 445 Millionen Euro.

Kritik äußerte Vernau im dpa-Gespräch an den Kontrollgremien, weil die in der Krise ausgewechselte Geschäftsleitung nicht wieder vollständig funktionsfähig besetzt worden sei. »In jedem Unternehmen, wo die komplette Geschäftsleitung das Unternehmen verlässt, schaut man, dass man die Unternehmensleitung so schnell wie möglich wieder auf ordentliche Beine stellt. Und in einem Unternehmen in der Krise würde man es noch dringlicher ansehen normalerweise, aber im RBB offensichtlich nicht.« Auch diese Situation kommt auf Demmer zu.

Über die RBB-Belegschaft sagte Vernau: »Ich habe viele tolle, engagierte Menschen hier kennengelernt, die richtig gut mitgezogen haben, was die Gestaltung der Zukunft betrifft und die werde ich in jedem Fall vermissen.« Sie bedauere, den Plan, den sie gemeinsam mit der Führungsmannschaft erarbeitet habe, nicht mehr selbst mit umsetzen zu können. »Aber ich freue mich auch auf das, was in Köln kommt.«

© dpa-infocom, dpa:230726-99-539069/4