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Polizistenmord-Prozess: Mitangeklagter schildert Todesangst

Im Prozess um die Polizistenmorde von Kusel hat der Nebenangeklagte erstmals zur Tat ausgesagt. Er weist jede Schuld von sich und gibt interessante Details preis.

Tatort
Der Tatort in Kusel. Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten bei Kusel hat der Nebenangeklagte erstmals Fragen des Gerichts zur Tatnacht Ende Januar beantwortet. Foto: Harald Tittel
Der Tatort in Kusel. Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten bei Kusel hat der Nebenangeklagte erstmals Fragen des Gerichts zur Tatnacht Ende Januar beantwortet.
Foto: Harald Tittel

Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten bei Kusel in der Pfalz hat der Nebenangeklagte erstmals Fragen des Gerichts zur Tatnacht Ende Januar beantwortet. Er schilderte, wie er nach den Schüssen des Hauptangeklagten auf die Beamten »abartige Angst« um sein eigenes Leben gehabt habe. »Ich hatte Angst, dass ich die Nacht nicht überleben werde«, sagte er am Montag vor dem Landgericht Kaiserslautern. »Wer so leichtfertig zwei Menschen erschießt, der tötet auch noch einen dritten«, sagte er über den wegen zweifachen Mordes angeklagten Hauptangeklagten (39).

Sein Hals sei wie zugeschnürt gewesen, sein Herz gerast. "Es habe lange gedauert, bis er wieder klar habe denken können. "Ich wusste nicht, wie reagieren", sagte der 33-Jährige, der wegen versuchter Strafverteilung angeklagt ist. Auch bei seiner Einlassung am Montag war er sichtlich nervös. Er habe gesehen, wie die Polizistin bäuchlings zu Boden ging und auch den toten Polizisten gesehen. "Es war für mich ekelig und schlimm. Der leere Blick. Alles so aufgequollen."

»Kopf ausgeschaltet« und den Anweisungen gefolgt

Dann habe er seinen »Kopf ausgeschaltet« und sei den Anweisungen des 39-Jährigen gefolgt. »Ich hatte auch auf dem Heimweg noch Angst, dass was passiert.« Der Hauptangeklagte soll eine Polizistin (24) und ihren Kollegen (29) bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle auf einer Kreisstraße mit Schüssen in den Kopf ermordet haben, um Wilderei zu vertuschen. Die Männer waren kurz nach der Tat im Saarland festgenommen worden.

Der 33-Jährige gab an, bei der Tat hinter dem Transporter gestanden zu haben. Er habe gesehen, wie der 39-Jährige zur Fahrertüre gegangen sei, um was zu suchen. »Und da hat es schon laut geknallt«, sagte er. Dass der 39-Jährige später noch mal auf die Polizistin geschossen habe, habe er nicht gesehen.

10 Euro für das Aufsammeln eines Rehs

Er selbst habe nie in seinem Leben mit scharfen Waffen geschossen, sagte der Nebenangeklagte. Er wisse auch nicht, wie man eine Waffe nachlade. Den 39-Jährigen kenne er seit Mitte 2021 - und seit vergangenem Oktober sei man mehrmals die Woche gemeinsam auf Jagd gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, das vom Hauptangeklagten geschossene Wild einzusammeln. Für ein Reh habe er pro Stück zehn Euro bekommen, für größere Tiere 20 Euro. Mit einem Nachtsichtgerät habe er die Tierkadaver aufgespürt. Eine Waffe habe er da nie dabei gehabt.

Der 33-Jährige hatte zwar kurz nach seiner Festnahme bei der Polizei ausgesagt, aber im Prozess zur Tat bisher geschwiegen. Die Antworten auf zuvor eingereichte Fragen des Vorsitzenden Richters waren mit Spannung erwartet worden.

Schon in seiner Aussage nach der Festnahme hatte der Nebenangeklagte seinen damaligen Komplizen für den Tod der beiden Polizisten verantwortlich gemacht. Der 39-Jährige dagegen will aus Notwehr nur den Polizisten getötet haben; für den Tod der Polizistin sei der 33-Jährige verantwortlich, hatte er im Prozess wiederholt ausgesagt.

Hauptangeklagte will 190 Lügen ausgemacht haben

Bei der Einlassung des 33-Jährigen machte sich der Hauptangeklagten Notizen. Danach trug er rund 190 angebliche Lügen des Nebenangeklagten vor, die er in dessen bisherigen Einlassungen ausgemacht haben will. Beispiel: Der Nebenangeklagte habe behauptet, keine Messer zu benutzen. Er habe aber sehr wohl Messer zum Zerlegen von Wild benutzt. Ziel seiner Aussagen: Die Glaubwürdigkeit des 33-Jährigen zu erschüttern.

Keine neue Erkenntnisse brachte am Montag ein Gutachten zu Knall- und Schussgeräuschen, das ein Sachverständiger des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg vorstellte. Anhand der Aufzeichnungen von zwei Videokameras in 1,2 Kilometer Entfernung vom Tatort könnten nur die Schüsse aus der Dienstpistole des Polizisten »mit hoher Wahrscheinlichkeit« zugeordnet werden. Bei den übrigen Schussgeräuschen sei eine Zuordnung zu bestimmten Waffen »eher schwierig«.

»Der Technik sind Grenzen gesetzt«, fasste der Vorsitzende Richter Raphael Mall zusammen. Auch das Gericht habe gehofft, dass da mehr rauszuholen gewesen wäre. Insgesamt stehen auf der Liste 23 Knallgeräusche.

Fortsetzung am Mittwoch

Der Prozess wird an diesem Mittwoch fortgesetzt. Mall gab zusätzliche Termine bis 28. Dezember bekannt. Das Gericht habe aber die Hoffnung und Annahme, dass nicht alle Termine mehr gebraucht würden, sagte Mall.

Zudem gab er bekannt, dass die Angehörigen der getöteten Polizistin ihre Forderung nach Schmerzensgeld von dem Hauptangeklagten zurückgezogen haben. Das Verfahren hätte sich sonst weiter in die Länge ziehen können, hieß es.

© dpa-infocom, dpa:221017-99-160473/2