Nur noch wenige Wochen, dann ist der wegen Totschlags verurteilte frühere Spitzensportler Oscar Pistorius frei. Am 5. Januar soll er aus den Toren des Gefängnisses in der Hauptstadt Pretoria treten dürfen. Gut zehn Jahre nachdem er seine damalige Freundin Reeva Steenkamp tötete.
Die Bewährung sei ihm als »Ersttäter mit einem positiven Unterstützungssystem« bewilligt worden, teilte die südafrikanische Justizvollzugsanstalt nach einer Anhörung mit.
Pistorius hatte die damals 29-jährige Steenkamp, ein Model mit abgeschlossenen Jura-Studium, in der Nacht zum Valentinstag 2013 mit vier Schüssen durch die Toilettentür seiner Villa getötet. Das Verfahren gegen den unterhalb beider Knie amputierten Sprintstar zog sich über Jahre und ging durch mehrere Instanzen.
Je mehr das Gericht die Abläufe der tödlichen Nacht aufdröselt, desto größer das Entsetzen der Öffentlichkeit. Pistorius sagte damals aus, er habe mehrfach gefeuert, weil er hinter der Tür einen Einbrecher befürchtet habe. Doch die Beweislage sprach gegen ihn.
Etwa die Hälfte der Strafe verbüßt
Pistorius erhielt eine Haftstrafe von 13 Jahren und 5 Monaten. Von dieser hat der heute 37-Jährige etwa die Hälfte abgesessen. Nach südafrikanischem Gesetz hatte er damit automatisch Anspruch auf eine Bewährungsanhörung.
Der Zeitraum der Bewährung belaufe sich auf fünf Jahre, sagte Rob Matthews, der Anwalt von June Steenkamp, der Mutter der getöteten Reeva Steenkamp. Pistorius werde bis Januar ein Reintegrationsprogramm innerhalb der Haftanstalt durchlaufen. Zu den Bewährungsauflagen gehörten eine Therapie zur Aggressionsbewältigung sowie gemeinnützige Arbeit im Bereich geschlechtsspezifische Gewalt, so Matthews. Pistorius werde demnach zunächst im Haus seines Onkels in Pretoria wohnen, welches er nicht ohne Erlaubnis der Behörden verlassen dürfe.
Erklärung der Mutter
June Steenkamp hatte für die Anhörung am Freitag eine schriftliche Erklärung eingereicht, die ihr Anwalt den vor dem Gefängnis versammelten Medien vorlas. »Ich glaube nicht Oscars Version, dass er die Person auf der Toilette für einen Einbrecher hielt«, hieß es darin. Sie sei auch nicht überzeugt, dass Pistorius rehabilitiert sei, weil er nie die Wahrheit eingestanden habe.
Ihr Leben sei seit der Tötung ihrer Tochter »ein endloses schwarzes Loch aus Schmerz und Einsamkeit«, das niemals gefüllt werden könnte, schrieb June Steenkamp. Ihr im September verstorbener Ehemann Barry, der kurz nach dem Prozessbeginn einen Schlaganfall erlitten habe, sei an einem gebrochenen Herzen gestorben.
Vom Märchen zum Alptraum
Vor der Tat, die alles änderte, führte Pistorius buchstäblich ein goldenes Leben und stand auf dem Zenit seiner Karriere. Bei den Paralympischen Spielen 2012 hatte er auf eigens angefertigten Karbon-Prothesen sechs Goldmedaillen gewonnen.
Ihm waren einst als Kind wegen eines Gen-Defekts die Beine unterhalb der Knie amputiert worden. Die L-förmigen Spezial-Prothesen, mit denen er seinen Mitstreitern davonsprintete, verpassten ihm den Spitznamen Blade Runner. Es war die Geschichte eines Mannes, der trotz widriger Umstände mit harter Arbeit Großes vollbrachte.
Pistorius und Reeva Steenkamp galten damals als Traumpaar: der erfolgreiche, ehrgeizige und markante Sportstar mit der bildhübschen, intelligenten Freundin, die sich öffentlich für Frauenrechte einsetzte. Sie waren Teil der Elite des Landes, feierten wilde Partys, fuhren schnelle Autos.
Doch was Südafrikanern wie ein Märchen schien, endete als Alptraum. Aus der gefeierten Ikone Pistorius wurde ein verschmähter Totschläger. Was der gefallene Star nun mit dem Rest seines Lebens machen wird, das weiß noch niemand.
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