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Neuer Intendant verteidigt ZDF-Kriegsberichterstattung

Wechsel an der ZDF-Spitze: Norbert Himmler tritt die Nachfolge von Intendant Thomas Bellut an. Wie der neue Chef die Kriegsberichterstattung sieht, was er zur ARD sagt - und über Jan Böhmermann.

ZDF-Intendant Himmler
Der damals designierte Intendant des ZDF, Norbert Himmler, bei einer Veranstaltung in Mainz. Foto: Frank Rumpenhorst
Der damals designierte Intendant des ZDF, Norbert Himmler, bei einer Veranstaltung in Mainz.
Foto: Frank Rumpenhorst

Der neue Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, Norbert Himmler, hat den vorübergehenden Verzicht seines Senders auf eine direkte Berichterstattung aus Moskau im Ukraine-Krieg verteidigt.

Das ZDF hatte wie die ARD und andere nationale und internationale Medien die Berichterstattung aus Russland nach dem Erlass scharfer Pressezensurgesetze in Russland eingestellt. Inzwischen wird aber die Berichterstattung wieder aufgenommen.

»Kühler Kopf« in Mainz oder Berlin

Live-Sendungen direkt vom Ort des Kriegsgeschehens in der Ukraine hält Himmler zugleich nicht für die beste Wahl. Der 51-Jährige sagte der Deutschen Presse-Agentur zu seinem Amtsantritt über den Krieg: »Analysen und Einordnungen macht man besser mit kühlem Kopf aus Mainz oder Berlin.« Der bisherige ZDF-Programmdirektor, der dem pensionierten Thomas Bellut folgt, ergänzte: »Es hat schon gute Gründe, dass es Nachrichtensendungen und Magazine gibt, die sich Zeit nehmen, um Ereignisse einzuordnen und für das Publikum aufzubereiten.«

In Sozialen Medien gibt es Bilder und Videos, die ein Gefühl vermitteln, in Echtzeit am Kampfgeschehen dabei zu sein. Auf die Frage, wie man als klassisches Medium auf ein solches Nutzerverhalten reagiere, sagte Himmler: »Lieber verantwortungsvoll sorgfältig als vermeintlich jugendlich.« Schon in der Pandemie habe man erlebt, dass gerade die Jüngeren gute Information schätzten. »Es ist wichtig, dass Aufnahmen aus dem Netz, deren Herkunft unklar ist, eingeordnet werden. Dass wir es sagen, wenn nicht sicher ist, wie und zu welcher Zeit diese Bilder entstanden sind.«

Gesellschaftliche Akzeptanz beweisen

Himmler sagte auch: »Wir sind insgesamt gut vertreten und entscheiden verantwortlich und in enger Abstimmung, wer von wo berichtet.« ZDF-Kollegen seien derzeit nicht in Kiew. Zurzeit läuft in Deutschland eine Diskussion darüber, wie stark der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Kriegsgebieten präsent sein sollte.

Zur Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an dem es auch immer wieder Kritik gibt, sagte Himmler der dpa: »Ich bin mir sehr bewusst, dass wir diese Akzeptanz in der Gesellschaft immer wieder neu beweisen müssen und dass wir gut vermitteln müssen, warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk wichtig ist.« Er ergänzte: »Das werden wir den Menschen in Deutschland auf Augenhöhe und vielleicht noch intensiver, als wir es bisher getan haben, erklären und auch unter Beweis stellen.«

Mit der ARD will Himmler noch stärker zusammenarbeiten - er sieht aber auch klare Unterschiede. »Das ZDF ist der nationale Sender mit europäischer Ausrichtung. Die ARD ist eine Arbeitsgemeinschaft von neun regionalen Landesrundfunkanstalten. Das unterscheidet uns.« Auf der Basis gebe es zugleich bereits gute Zusammenarbeit, insbesondere im logistischen, technischen und verwaltungsorganisatorischen Bereich, was man weiter ausbauen wolle. »Publizistisch, redaktionell brauchen wir aber eigenständige, voneinander unabhängige Marken im TV und im Netz.«

Streitpunkt Phoenix

Irritiert zeigte sich Himmler, wie die ARD sich mit Blick auf die eigenen Ausbaupläne des Nachrichtenangebots bei ihrem Kanal Tagesschau24 über den gemeinsamen ARD-ZDF-Sender Phoenix äußerte. Himmler sagte: »Das ist zunächst mal eine Initiative der ARD. Irritiert hat uns der damit verbundene Hinweis auf Phoenix.« Er ergänzte: »Der Auftrag des gemeinsamen Ereignis- und Dokumentationskanals darf nicht einseitig eingeschränkt werden.« Der ARD-Senderverbund hatte als Abgrenzung zu Phoenix, der auch Politikberichterstattung bietet, betont, dass dieser eher für länger im Voraus planbare Ereignisse wie zum Beispiel ein Parteitag zuständig sei und Tagesschau24 dann eher für akute Lagen.

Himmlers berufliche Laufbahn beim ZDF mit Hauptsitz in Mainz ist auch mit dem Aufbau des Angebots des Satirikers Jan Böhmermann in den ZDF-Sendern verwoben. Der neue Intendant sagte über den Entertainer: »Böhmermann hat mich viele graue Haare gekostet.« Er sei aber froh, ihn zu haben.

Keine Parteizugehörigkeit

Himmler ist nach eigenen Angaben kein Mitglied einer Partei. Zum Hergang seiner Wahl - Konkurrentin war die ARD-Hauptstadtstudioleiterin Tina Hassel gewesen - sagte der ZDF-Mann: »Ich habe in meiner Rede anlässlich der Wahl deutlich gemacht, wie sehr mir die Unabhängigkeit des ZDF am Herzen liegt und wie sehr ich das als Fundament des öffentlich-rechtlichen Systems sehe.« Man müsse nur in andere Länder in Europa schauen, um zu sehen, wie schnell diese Unabhängigkeit angegriffen werden kann. »Überall da, wo sich autokratische Systeme etablieren, gehen sie an zwei Dinge zuerst ran: Das eine sind die Medien, das andere ist die Gerichtsbarkeit.«

Zur Zukunft des Senders sagte Himmler auch: »Die Herausforderungen werden größer.« Das gelte auch für das Tempo der Veränderungen in der Gesellschaft, der Technologie, in der Mediennutzung. »Gut vorbereitet sind wir. Jetzt geht es darum, das ZDF fit für die Zukunft zu machen: Eine klare Stärkung der non-linearen Wege, insbesondere der Mediathek.« Dazu gehörten ein starkes Korrespondenten-Netz, starke fiktionale Programme, die in der Mediathek auch für jüngere Zielgruppen klar auffindbar sind. »Nicht zuletzt müssen wir die Akzeptanz in der Gesellschaft stärken.«

© dpa-infocom, dpa:220314-99-509405/8