Es war eine Eröffnung der besonderen Art im Herzen von Berlins Alternativ-Stadtteil Kreuzberg. Begleitet von linksradikalen Demonstranten auf der Straße und Kamerateams im abgesperrten Bereich begann die Polizei ihre Arbeit in einer neuen Polizeiwache direkt am Kottbusser Tor. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte am Mittwochmorgen, sie sei »unwahrscheinlich stolz«, dass nun die modernste Polizeiwache Berlins eröffnet werden könne. Dann wurde symbolisch ein goldener Schlüssel übergeben.
Wenige Meter weiter standen unten auf der Straße schätzungsweise 100 bis 200 überwiegend junge Menschen aus der linken Szene und riefen in Sprechchören: »Haut ab, haut ab«. Auf Transparenten stand »Mörder muss man Mörder nennen« und »Die Krise heißt Kapitalismus«.
Die Kosten liegen bei 3,24 Millionen Euro
Die kleine »Nebenwache am Kottbusser Tor«, wie sie offiziell genannt wird, befindet sich im ersten Stock eines Hochhauses in der Überführung über die Adalbertstraße. Die Kosten für den Umbau der Räume betrugen laut Senat rund 3,24 Millionen Euro, ein neuer Fahrstuhl war nötig und Sicherheitsglas für die beiden Fensterfronten.
Von innen können Polizisten die Adalbertstraße in beide Richtungen überblicken. In sechs Sprachen steht das Wort »Polizeiwache« am Eingang. Mehrere Videokameras filmen die Bereiche vor den beiden Eingängen und die Balustrade vor den Fenstern der Wache. Der Treppenaufgang zum benachbarten Café Kotti und die Straße würden nicht gefilmt, versichert die Polizei.
Bitte aus der Nachbarschaft: »Helfen Sie uns!«
In der Wache mit ihren Computerarbeitsplätzen sollen jeweils drei Polizisten in Schichten rund um die Uhr Dienst haben und Ansprechpartner für Probleme in der Umgebung sein. Weitere Polizisten sollen wie bisher schon als Streifen und bei Einsätzen am Kottbusser Tor unterwegs sein. Spranger sagte: »Die Polizei ist hier 24 Stunden präsent.«
Das Kottbusser Tor sei als Ort stark belastet mit Kriminalität, sagte Spranger. 3100 Drogendelikte seit 2018, 1400 Körperverletzungen, dazu kämen Nötigungen, Bedrohungen, sexuelle Übergriffe, Überfälle, Raubtaten. Die nächste große Polizeiwache, der Polizeiabschnitt 53, sei zwei Kilometer entfernt. Nun habe man endlich mitten in Kreuzberg einen Anlaufpunkt. Die Nachbarschaft habe immer wieder gesagt: »Bitte helfen Sie uns.«
Über die Demonstranten sagte Spranger: »Das sind alles Leute, die wohnen gar nicht hier.« Die neue Polizeiwache sei nicht umstritten.
Der Vize-Chef der Landespolizeidirektion, Jörg Dessin, sprach von einer Anlaufstelle für Anwohner, Geschäftsbetreiber, Touristen, Vereine und Moscheen aus der Nachbarschaft. »Bisher gab es hier nur mobile Maßnahmen, jetzt haben wir hier 24/7 Präsenz.« Die Nachbarn sollen »mit uns reden, wir wollen mit ihnen sprechen«.
Die Polizei will ein guter Nachbar sein
Kritik kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), es sei der Politik vor allem um ein Symbol gegangen. »Letztlich bekommen wir nicht mehr Polizei auf die Straße«, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Der Standort sei nicht optimal, die Polizei sehe von oben herab auf die Menschen und zugleich säßen die Polizisten wie auf dem Präsentierteller.
Der direkte Nachbar der »Kotti-Wache« sieht die Lage inzwischen gelassen. Ercan Yasaroglu, Besitzer des beliebten Café Kotti neben der Wache, setzt auf gutes Miteinander. »Die meisten Gäste werden sich daran gewöhnen, auch die Polizisten sind willkommen, wenn sie Kaffee trinken wollen.« Allerdings besuchten auch viele Menschen, die illegal in Deutschland lebten, sein Café. Ihm sei wichtig, dass die Polizei nicht seine Gäste kontrolliere. Er verwies auf die berühmte Davidwache der Hamburger Polizei direkt an der Reeperbahn, die Kultstatus habe. So etwas erhoffe er sich auch hier.
Der Leiter des zuständigen Polizeiabschnitts 53, Stefan Kranich, versicherte Yasaroglu, auch die Polizei setze auf eine gute Nachbarschaft. »Wenn es Probleme gibt, rufen Sie mich an. Wir sind Nachbarn und wir finden Lösungen.«
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