Es gibt diesen einen kurzen Moment, der dazu angetan ist, alle Berichte über eine Ehekrise bei Harry und Meghan auf einen Schlag zu entkräften. Schauplatz dieser Szene ist der Jan-Wellem-Saal im Düsseldorfer Rathaus. An diesem Dienstagmittag stehen dort Harry und Meghan - die hier aber nur als Herzog und Herzogin von Sussex angesprochen werden - nebeneinander und warten auf Harrys Auftritt. Und das Verblüffende ist: Er scheint Lampenfieber zu haben.
Der 37-Jährige hat eine ziemlich rote Gesichtsfarbe und blickt immer wieder auf seine Sprechzettel, obwohl er noch gar nicht an der Reihe ist. Die vier Jahre ältere Meghan in einem ungewöhnlichen schulterfreien Outfit wirkt dagegen absolut gelöst und entspannt. Sie vermittelt den Eindruck, dass sie in diesem Moment nichts lieber will, als hier zu sein im Rathaus der Landeshauptstadt und Karnevalsmetropole Düsseldorf am Rhein.
Während Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) daran erinnert, wie die Briten nach dem Krieg das Land Nordrhein-Westfalen gründeten, nickt und lächelt Meghan immer an den richtigen Stellen. Und als er schließlich auf den Ukraine-Krieg zu sprechen kommt, schaut sie betroffen. Harry dagegen steht einfach da und scheint daran zu denken, dass er gleich diese Rede halten muss. Beide machen also fast nichts - und doch sind alle begeistert. Das muss man erstmal schaffen.
Dinge, die ihm wichtig sind
Dann tritt Harry ans Rednerpult. »Hallo Düsseldorf. Wir, Meghan und ich, freuen uns sehr, hier zu sein.« Das sagt er auf Deutsch. Dann wischt er sich scherzhaft über die Stirn. Heftiger Applaus. Anschließend liest er seine Rede routiniert auf Englisch ab. Er spricht über die Dinge, die ihm wichtig sind: Soldaten, die irgendwo in einem fernen Teil der Welt ihr Leben riskiert haben und mit schwersten Verletzungen heimgekehrt sind. Er spricht über die Begegnungen mit ihnen, die sehr intensiv sein könnten. Begegnungen, aus denen man etwas mitnehme. Und er dankt den »unglaublichen Düsseldorfern« und den Deutschen allgemein dafür, dass sie diese Sache unterstützen und nächstes Jahr die Invictus Games 2023 ausrichten wollen, das von ihm initiierte paralympisches Sportfestival.
Am Ende geht Harry erleichtert an seinen Platz zurück. Und da geschieht es: Meghan fasst ihn an den Arm und strahlt ihn stolz an, sagt etwas zu ihm, lacht. Das ist diese Szene, die jeden Zweifel an ihr beider Glück verfliegen lässt. Gut, Meghan ist von Beruf Schauspielerin, und sie war in ihrem Fach ziemlich gut. Aber man will einfach glauben, dass sie in diesem Moment ganz sie selbst ist.
Eine halbe Stunde später stehen Harry und Meghan unten auf dem Marktplatz. Hinter ihnen die Backsteinfassade des Düsseldorfer Rathauses, über ihnen ein blauer Himmel. Und vor ihnen jede Menge freundliche Gesichter. »Das muss schrecklich sein, immer so fotografiert zu werden« sagt eine Frau. Doch es soll Harrys und Meghans ausdrücklicher Wunsch gewesen sein, auch einige Minuten für die ganz normalen Düsseldorferinnen und Düsseldorfer da zu sein. Und so gehen sie die gesamte Reihe hinter dem Absperrgitter ab. Sie schütteln Hände, machen Smalltalk, erfüllen Selfie- und Autogrammwünsche, herzen Babys. Eine Viertelstunde lang. Als sie von einem kleinen Hund angekläfft werden, erkundigt sich Harry, ob der denn freundlich sei.
Viele Zuschauer sind schon etwas älter
Man muss dazu sagen, dass nicht gerade Massen auf den Marktplatz geströmt sind. Aber eine kleine Menge ist es eben doch. Viele hier sind schon etwas älter. Wenn sie Harry sehen, gehen ihnen vielleicht Bilder durch den Kopf: Prinzessin Diana mit dem kleinen Bündel auf dem Arm auf der Schwelle des St Mary’s Hospital in London-Paddington. Sein erster Schultag in kurzer Hose. Und dann, natürlich: der Teenie im Anzug hinter dem Sarg seiner Mutter. Das große Glück, das stille Leid – man war ja stets dabei, wenn auch nur am Fernseher.
Aber es sind auch Junge hier auf dem Platz. Junge Männer und vor allem junge Frauen, die vielleicht gar keine Fans des britischen Königshauses sind, aber dieses Paar bewundern. Weil es eine Botschaft hat - die auch immer wieder verbreitet wird. Noch an diesem Dienstag hat Meghan eine neue Folge ihres Spotify-Podcasts »Archetypes« veröffentlicht. Darin äußert sie sich dazu, dass Harry das Klischee vom »Märchenprinzen«, der eine überglückliche Bürgerliche ehelicht, bewusst gekontert habe. »Sie liegen alle falsch«, habe er gesagt. »Ich bin der Glückliche, weil du dich für mich entschieden hast.«
Nach dem Empfang im Rathaus geht es in einer Autokolonne runter an den Rhein und auf ein Ausflugsschiff. Hier sprechen Harry und Meghan mit Athleten, Angehörigen und Freiwilligen. Das Wasser des Rheins glitzert an diesem goldenen Spätsommertag, als ob aus seinen Tiefen das Rheingold aufleuchten würde. Düsseldorf hat einfach Glück.
Fragen sind nicht erwünscht
Später steht noch eine Pressekonferenz in der Merkur-Arena an. Harry will hier noch einmal über die Invictus Games sprechen, aber Fragen darf man ihm danach nicht stellen. Denn diese Fragen würden sich vermutlich nicht um das kommende Sportevent drehen, sondern eher in eine andere Richtung gehen: Was hat die Queen über ihren dynastischen Nachwuchs gesagt, die Urenkelchen Archie und Lilibet? Ist sie noch sauer darüber, dass Harry und Meghan der Familie Windsor den Mittelfinger gezeigt haben? Und was empfindet er noch für Bruder William, mit dem er früher so eng war, jetzt aber im Streit lebt? Wer Antworten darauf will, wird wohl bis zum Erscheinen von Harrys Memoiren Ende dieses Jahres warten müssen. Düsseldorf ist einfach ein zu unwahrscheinlicher Ort, um die britische Monarchie zu erschüttern.
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