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Mysteriöse Einbruchserie auf Hafenterminal

Tausende Container stehen auf dem Terminal Altenwerder im Hamburger Hafen. Unter den Waren muss etwas sein, das mutmaßliche Kriminelle aus den Niederlanden seit Wochen unbedingt finden wollen.

Mysteriöse Einbruchserie auf Hafenterminal - Sind es »Rausholer«?
Hamburger Hafenterminal: In den vergangenen Nächten wurde nachts mehrfach eingebrochen. Foto: Markus Scholz/DPA
Hamburger Hafenterminal: In den vergangenen Nächten wurde nachts mehrfach eingebrochen.
Foto: Markus Scholz/DPA

Der Hamburger Hafen ist zurzeit besonders beliebt - nicht nur bei Touristen, sondern seit drei Wochen auch bei einigen mutmaßlichen Kriminellen aus den Niederlanden. Seit dem 11. Juni sind kleine Gruppen junger Männer 15 Mal in das Containerterminal Altenwerder eingedrungen. Bis Freitagnachmittag hat die Polizei 45 Männer im Alter zwischen 16 und 30 Jahren festgenommen. Bis auf einen der Eindringlinge, der ein zweites Mal erwischt wurde, kamen alle wieder auf freien Fuß. »Hier wird davon ausgegangen, dass es sich um einen zusammenhängenden Vorgang, also tatsächlich um eine Serie handelt«, erklärt Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering.

Was lockt die jungen Männer auf das Hafengelände, wo Tausende Container stehen, aufgestapelt in bis zu fünf Schichten? Der Zoll und das Zollfahndungsamt Hamburg, das in der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift mit dem Landeskriminalamt kooperiert, vermuten, dass die Eindringlinge nach einer Drogenlieferung suchen. Sicher sei diese Annahme allerdings nicht, sagt ein Sprecher des Hauptzollamts. Jetzt einfach alle Container, die das Terminal verlassen, zu kontrollieren, ist unmöglich. Es sind täglich Tausende und die Lieferketten dürfen nicht gestört werden.

Bei den Festgenommenen wurden nach Informationen des »Hamburger Abendblatts« Bolzenschneider, Plomben zum Versiegeln von Containern, GPS-Tracker und Handys mit Powerbanks gefunden. Zwei Verdächtige wurden von einem Diensthund in einem Container aufgespürt, wie die Polizei mitteilte. Das Terminal am Köhlbrand, einem Teil der Süderelbe, ist vergleichsweise leicht zu Fuß zu erreichen. Ein Deich am südlichen Rand bildet eine Art Grünfläche mit Wegen für Radfahrer und Fußgänger, es gibt sogar einen Fotospot, von dem aus man das Gelände überblicken kann. Auf der Westseite steht die alte St.-Gertrud-Kirche des ehemaligen Dorfes Altenwerder, nordwestlich liegt ein Autohof an der A7.

Polizei hält sich bedeckt

Zu ihrem Vorgehen hält sich die Polizei bedeckt. Man darf jedoch davon ausgehen, dass die Beamten zurzeit häufiger ihre Runden entlang des stacheldrahtbewehrten Zauns machen. Bei einer Festnahme war sogar ein Polizeihubschrauber im Einsatz. Sich auf dem Hafengelände unbemerkt zu bewegen, ist schwierig. Das Terminal ist weitgehend automatisiert und gilt als eines der modernsten der Welt.

Große Containerbrücken heben die Stahlboxen von den Schiffen. Am Kai werden sie auf fahrerlose Transportfahrzeuge gesetzt und zu einem der 26 Blocklager gebracht, wo nach Angaben der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) bis zu 30.000 Container stehen können. Nach im Schnitt drei bis fünf Tagen werden die bis zu 30 Tonnen schweren Boxen mit fahrerlosen Portalkränen auf Lastwagen oder Güterzüge verladen. 17.000 Transponder auf dem einen Quadratkilometer großen Gelände sorgen dafür, dass die Fahrzeuge ihren Weg zentimetergenau finden. Dass Menschen auf diesen Strecken laufen, ist nicht vorgesehen.

Die größten Umschlagplätze für Kokain sind in Europa bislang die Häfen von Antwerpen und Rotterdam. Im vergangenen Jahr wurden dort fast 200 Tonnen Rauschgift sichergestellt. Zum Vergleich: In Hamburg waren es weniger als 10 Tonnen. Die belgischen und niederländischen Behörden haben ihre Kontrollen zuletzt verschärft. Deutschland und fünf weitere EU-Staaten wollen enger zusammenarbeiten, wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Anfang Juni in Antwerpen sagte. Damit wollen sie verhindern, dass Kriminelle ihre Aktivitäten von einem europäischen Hafen in den nächsten verlegen, wenn der Fahndungsdruck an einem Ort zunimmt - Ermittler bezeichnen dies als »Wasserbett-Effekt«.

»Wasserbett-Effekt« in Hamburg?

Ist dieser Effekt jetzt in Hamburg zu beobachten? In den Niederlanden wurden vor einiger Zeit die Strafen für sogenannte Rausholer erhöht. Das sind meist junge Männer, die Drogen in Sporttaschen aus den Containern holen. 2022 waren 241 »Rausholer« in den Niederlanden festgenommen worden, im Vorjahr waren es noch mehr als 400, der jüngste war 14 Jahre alt.

Um einen ganzen Container mit einer versteckten Drogenlieferung aus dem Hafen zu holen, bedarf es eines hochprofessionellen Vorgehens. Sieben Mitglieder einer Drogenbande, die auf diese Weise mehr als drei Tonnen über den Hamburger Hafen schmuggelten, waren im vergangenen Jahr vom Landgericht zu teilweise langen Haftstrafen verurteilt worden. Einer der Angeklagten war ein ehemaliger Logistiker bei der HHLA.

© dpa-infocom, dpa:230701-99-250245/2