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Messerangriff in Flüchtlingsheim: Angeklagter schweigt

Der Messerangriff erschüttert im Sommer eine kleine Bodensee-Gemeinde. Der mutmaßliche Täter soll wortlos auf mehrere Menschen losgegangen sein, ein Mann stirbt. Vor Gericht geht das Schweigen weiter.

Prozessbeginn wegen Mordes in Flüchtlingsunterkunft
Der 32-jährige Angeklagte sitzt mit Handschellen im Gerichtssaal auf der Anklagebank. Er soll im Juni 2022 in einer Asylbewerberunterkunft am Bodensee auf mehrere Menschen eingestochen und dabei einen Mann getötet haben. Foto: Felix Kästle
Der 32-jährige Angeklagte sitzt mit Handschellen im Gerichtssaal auf der Anklagebank. Er soll im Juni 2022 in einer Asylbewerberunterkunft am Bodensee auf mehrere Menschen eingestochen und dabei einen Mann getötet haben.
Foto: Felix Kästle

Wegen Streitigkeiten soll er wortlos auf seine Mitbewohner in einer Flüchtlingsunterkunft eingestochen haben: Seit Dienstag muss sich ein 32-Jähriger vor dem Landgericht Ravensburg wegen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes verantworten. Ein Syrer kam bei dem Angriff vor fast genau sechs Monaten am Bodensee ums Leben. Sechs Frauen und Männer wurden schwer bis lebensgefährlich verletzt. Vor Gericht schwieg der Angeklagte zu den Taten. Auch zu seinem Lebenslauf wollte der Asylbewerber aus Nigeria nichts sagen.

Laut Staatsanwaltschaft haben Auseinandersetzungen über die Hausordnungen und Kleinigkeiten zu den Taten in der Unterkunft in Kressbronn (Bodenseekreis) geführt. Er sei etwa beim Kochen belästigt worden, hatte der 32-Jährige einem Gutachter erzählt. Mitbewohner hätten mehrfach in seine Kochtöpfe geschaut, weshalb er auch die Polizei verständigt habe.

Auch über Integration soll laut Staatsanwaltschaft gestritten worden sein. Der Angeklagte war demnach der Meinung, dass arabisch-stämmige Mitbewohner besser und schneller integriert würden. Um sich an ihnen zu rächen, soll er am 26. Juni heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen mit einem Küchenmesser auf die Männer und Frauen eingestochen haben.

Bericht des Gutachters

Dem Gutachter hatte er gesagt, dass er sich in Deutschland isoliert gefühlt habe. Er habe im Abseits gestanden, er habe nichts richtig machen können und habe sich abgelehnt gefühlt. Arbeit habe er nicht bekommen und sei ihm nicht erlaubt gewesen, in die Schule zu gehen. An die Taten habe er keine Erinnerung. Am liebsten wolle er in sein Heimatland zurück. In Kressbronn habe er seit 2020 gelebt.

Der 32-Jährige hatte laut Anklage schon im Februar erste Morddrohungen geäußert. Im Mai hatte er auch in der Unterkunft randaliert und Menschen mit einem Messer bedroht. Danach kam er in eine psychiatrische Fachklinik. Er hatte laut Gutachter zu den Polizisten gesagt, dass er sich selbst mit dem Messer verletzen wollte. Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung sah der Experte nicht.

Einen Sicherheitsdienst gab es in der Unterkunft der Stadt mit ihren 9000 Einwohnern nicht. Die Kriminalpolizei Friedrichshafen hatte eine 25-köpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet, um den Tatablauf zu klären. Immer wieder kommt es zu Gewalttaten in Flüchtlingsunterkünften. Das Innenministerium in Baden-Württemberg etwa registrierte im vergangenen Jahr mehr als 600 Fälle. Im Jahr zuvor waren es mehr als 850 Gewalttaten.

Der Prozess gegen den 32-Jährigen wird im Januar fortgesetzt. Die Familie des getöteten und anderen Opfer schlossen sich dem Verfahren als Nebenkläger an. Ein Urteil könnte Mitte Februar fallen.

© dpa-infocom, dpa:221227-99-28857/4