Wenn Taylor Swift auftritt, geht es um mehr als nur um Musik. Für ihre Fans ist die 34-Jährige so etwas wie eine Heilsbringerin. Bei ihren Konzerten sorgt sie dafür, dass Ärger und Alltagsstress vergessen sind, zumindest für einige Zeit. In München sind es fast dreieinhalb Stunden, in denen die US-Sängerin ein Lied nach dem anderen singt, unermüdlich und mit einer Wahnsinnskraft. Vergessen die unerträgliche Hitze beim stundenlangen Warten auf den Einlass ins Olympiastadion, die durchgeschwitzte Kleidung, die am Körper klebt, der Durst.
Ab dem Moment, als Taylor Swift gegen 19.30 Uhr auf die Bühne schwebt, wird an diesem Samstagabend gefeiert, getanzt und lauthals mitgesungen. »Schön, Euch zu sehen«, sagt Swift gleich zu Beginn - auf Deutsch - und die Fans antworten mit einem Jubel, der das große Rund der Tribüne regelrecht erbeben lässt und so laut und schrill ist, dass es für einen kurzen Moment in den Ohren schmerzt.
Nicht nur im Stadion gibt es Publikum
Und gleich schickt sie auch einen Gruß auf den Olympiaberg hinterher, einen Hügel in Sichtweite des Stadions. Bei großen Konzerten versammeln sich hier jedes Mal Leute, um die Musik zu hören. So auch an diesem Samstag, wobei es dieses Mal sehr eng wird. Dafür aber auch romantisch und entspannt, mit selbst mitgebrachtem Picknick, Wein oder Bier. Mit etwas Glück und vielleicht einem Fernglas lässt sich sogar ein Blick auf die Bühne erhaschen.
Im Stadion heizt Swift die Stimmung erstmal richtig an. Die Musikerin beherrscht das Spiel mit den Massen meisterhaft. Sie will nicht der entrückte Star sein, fernab von den Fans, sondern eine von ihnen. Und so stellt sie eine Vertrautheit her, zwischen sich, dem Publikum und ihrem Team: »Danke, dass ihr mit uns abhängt«. So, als würde man gemütlich im Wohnzimmer zusammen sitzen und nicht im riesigen Stadion - mit 74.000 Menschen, wie Swift mehrmals betont. Augenzwinkernd stellt sie sich selbst vor. »Ich bin heute Abend ihre Gastgeberin«, sagt sie. »Mein Name ist Taylor«.
Es ist diese Nahbarkeit, die Fans an der Sängerin fasziniert. Und zwar so sehr, dass sie keine Kosten und Mühen scheuen, um sie live zu erleben und sich wie sie zu kleiden, mit Pailletten, Cowboystiefeln oder Feenkleid. »Sie ist sie selbst, jedes Mal, wenn man sie sprechen hört oder Dinge machen sieht. Sie ist einfach ein normaler Mensch«, schwärmt Jennifer, die aus Florida anreiste. Die Show der »Eras«-Tour in Miami war ihr zu teuer. »Die schlechtesten Plätze kosteten 4.000 Dollar pro Ticket«, erklärt sie. Stattdessen reiste sie nach Europa, erst London und dann München. Hier gebe sie immer noch viel Geld aus, aber dafür könnten sie und ihre Tochter einen ganzen Urlaub verbringen, begründet die US-Amerikanerin.
Immer wieder ohrenbetäubender Jubel
Swift spielt die Songs, mit denen sie schon auf den vorherigen Stationen ihrer »Eras«-Tour die Fans begeistert hatte, zu jedem Album der vergangenen Jahre eine Auswahl im passenden Outfit. »Es ist wie ein Spaziergang durch meine schönsten Erinnerungen«, beschreibt Swift. Das Münchner Publikum dankt es ihr immer wieder mit einer Mischung aus Jubel und Kreischen, dass die Ohren dröhnen.
Bei »Shake it Off« gibt es kein Halten mehr, das ganze Stadion tobt. Zu ruhigeren Songs strahlen gelbe und orange Luftballons, mit dem Taschenlampenlicht der Handys beleuchtet. Eindrucksvoll wird es, als Swift ganz allein mit Gitarre auf die Bühne tritt, umrahmt von einem Lichtermeer. »You Are in Love« singt sie, danach setzt sie sich ans Klavier mit »Call It What You Want«.
Einige Menschen kollabieren bei hohen Temperaturen
Das Konzert ist ein Wechselbad der Gefühle - und der Temperaturen. Um 17 Uhr habe die Temperatur in München bei 31,9 Grad Celsius gelegen, hieß es vom Deutschen Wetterdienst. Einige Menschen kollabierten. Zum Schutz vor der Sonne habe der Konzertveranstalter Tausende Rettungsdecken und »Unmengen an Wasser« an die Fans verteilt. Tatsache bleibt aber, dass viele zum Teil mehrere Stunden dicht gedrängt darauf warten, eingelassen zu werden. Drinnen sind die Schlangen vor den Getränkeständen so lang, dass viele die Vorband Paramore verpassen.
Gegen Ende weht ein erfrischender Wind ins Stadion - und zum letzten Song »Karma« tanzen Swift und ihr Team durch den Münchner Sommerregen. Am Sonntag tritt die Popsängerin noch einmal im Olympiastadion auf - beim letzten Deutschlandkonzert ihrer Tournee.
Zurück bleiben unzählige Handyfotos, getauschte Freundschaftsarmbänder und das Gefühl, Teil eines Erlebnisses gewesen zu sein. Die Kehrseite: Viel Müll. Goldene Rettungsdecken liegen danach in den Straßen. Und Zehntausende Leuchtarmbänder, die beim Einlass verteilt wurden, werden als Elektroschrott enden.
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