Im Rätsel um das massive Fischsterben in der Oder verdichten sich aus Sicht von Experten die Hinweise, dass die Tiere an einem von Algen produzierten Gift verendet sind. Die Bundesregierung wies am Montag polnische Vorwürfe zurück, Deutschland verbreite »Fake News« (Falschnachrichten) zu den möglichen Ursachen der Umweltkatastrophe. Die Regierung in Warschau warf der deutschen Seite vor, sie habe nicht genug Ölsperren zum Auffangen der verendeten Fische errichtet.
Deutliche Hinweis auf Alge
Experten des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin sehen deutliche Anzeigen dafür, dass eine giftige Alge schuld am Tod der Fische ist. Das starke Wachstum der Alge, die eigentlich im Brackwasser gedeiht, gehe wiederum auf einen Salzeintrag in den Fluss zurück, sagte Forscher Tobias Goldhammer der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist unsere derzeit am wahrscheinlichsten scheinende Hypothese.« Woher das Salz stamme, sei vorerst unklar. Auch spielten vermutlich weitere Faktoren eine Rolle, darunter das Niedrigwasser und eine erhöhte Wassertemperatur, sagte Goldhammer.
Das Berliner Institut hatte vergangene Woche auf das starke Wachstum der Algenart Prymnesium parvum hingewiesen, die ein für Fische tödliches Gift bilden kann. Am Wochenende ergänzte das Institut, dass dieses Gift im Wasser der Oder tatsächlich nachgewiesen worden sei. Zudem hätten Satellitendaten eine massive Algenblüte in der Oder belegt. Auch polnische Wissenschaftler wiesen Prymnesium parvum in Wasserproben nach.
Woher kommt das Salz?
Eine Sprecherin des brandenburgischen Umweltministeriums sagte, die Hinweise des Leibniz-Instituts auf das Gift der Alge seien plausibel. Wichtig sei jedoch, die Ursache des Salzeintrags weiter zu untersuchen. Man gehe nach wie vor davon aus, dass mehrere Ursachen für das Fischsterben verantwortlich sein könnten.
Die Bundesregierung wies polnische Vorwürfe zurück, Deutschland verbreite Falschnachrichten. »Wir bedauern, dass es zu dieser Bewertung von polnischer Seite gekommen ist«, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Die Suche nach den Ursachen für das Fischsterben sei nach wie vor nicht abgeschlossen.
»Fake News«-Vorwürfe aus Polen
Polens Umweltministerin Anna Moskwa hatte am Samstagabend auf Twitter geschrieben: »Achtung, eine weitere Fake News wird in Deutschland verbreitet!!! Pestizide und Herbizide. In Polen wurde der Stoff getestet und unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen, d. h. ohne Auswirkungen auf Fische oder andere Tiere, und ohne Verbindung zum Fischsterben.«
Der Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte dazu: »Von keiner Seite und zu keiner Zeit wurde in Deutschland aber behauptet, dass die Pestizide allein ursächlich für das Fischsterben gewesen seien. Dass entsprechende Laborergebnisse vom polnischen Umweltministerium jetzt als Schuldzuweisung verstanden wurden, ist bedauerlich.«
Deutsch-polnische Expertengruppe tagt
Am Montag tagte erstmals die vor einer Woche eingesetzte deutsch-polnische Expertengruppe und tauschte sich über Laborwerte und Untersuchungsergebnisse aus. In ihr sind Fachleute des Bundes und der betroffenen Bundesländer sowie der polnischen Behörden auf nationaler und regionaler Ebene vertreten. Der Ministeriumssprecher hatte zuvor die Hoffnung geäußert, dass eine »mögliche Missstimmung« ausgeräumt werde, wenn in der Arbeitsgruppe die Daten besprochen werden.
Allerdings legte Polens Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sek mit weiteren Vorwürfen nach. Die deutsche Seite habe in der Oder nur drei Ölsperren errichtet, um die toten Fische aufzufangen, Polen dagegen 29, kritisierte der Vize-Außenminister im öffentlich-rechtlichen Sender »Polskie Radio«.
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