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Lkw-Fahrer-Streik: »Endlich schaut Deutschland hin«

Mit ihrem Streik auf einer Raststätte in Hessen wollen osteuropäische Lastwagenfahrer ausstehenden Lohn durchsetzen. Es geht auch um Aufmerksamkeit für Zustände, die gegen deutsches Arbeitsrecht verstoßen.

Streikende LKW-Fahrer in Gräfenhausen West
Verpflegung aus der Gulaschkanone für streikende Lastwagenfahrer. Foto: Sebastian Gollnow
Verpflegung aus der Gulaschkanone für streikende Lastwagenfahrer.
Foto: Sebastian Gollnow

Ein Streik osteuropäischer und zentralasiatischer Lastwagenfahrer, die von ihrem polnischen Auftraggeber ausstehenden Lohn fordern, hat auch übers Osterwochenende auf der Autobahn-Raststätte Gräfenhausen an der A5 in Südhessen angedauert. Dort sind rund 50 Lastwagenfahrer seit Ende März im Ausstand. Unterstützt werden sie vom Beratungsnetzwerk Faire Mobilität und deutschen Gewerkschaftern. In dem Konflikt setzt der polnische Spediteur offenbar auch auf Einschüchterung.

Auch vorbeifahrende Autofahrer zeigten den vor allem aus Georgien und Usbekistan stammenden Lkw-Fahrern ihre Solidarität. So beobachtete ein dpa-Reporter, wie eine Familie den Fahrern Nudeln und eine Palette Tomatensoße überreichte und winkend weiterfuhr. Auch Osterbrot gab es. »Die Stimmung ist gut. Wir sind sehr froh über so viel Unterstützung«, sagte einer der Fahrer. »Wir haben ehrlich gearbeitet - und das wollen wir auch weiterhin tun, für fairen Lohn.«

Festnahmen am Freitag

»Was hier in Gräfenhausen passiert, das kann überall passieren - und oftmals sehen wir es nicht«, sagte der rheinland-pfälzische Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD) bei einem Besuch am Sonntag. Eine Sache sei gut an dem Streik: »Endlich schaut Deutschland mal hin und sieht, was passiert auf deutschen Straßen.« Er wolle den Streik zum Anlass nehmen, um Arbeitsbedingungen im internationalen Güterverkehr in der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Wenig friedlich war es am Freitag, als der polnische Speditionsinhaber mit einer Sicherheitsfirma und einem Kamerateam anreiste und versuchte, seine Lastwagen in Besitz zu nehmen. Die Polizei verhinderte eine gewalttätige Auseinandersetzung mit den martialisch gekleideten Sicherheitsleuten. Es gab fast 20 Festnahmen.

Mittlerweile sind der Spediteur und die Sicherheitsleute wieder auf freiem Fuß. Ihnen wird in unterschiedlicher Beteiligung schwerer Landfriedensbruch, Nötigung, Bedrohung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Störung einer Versammlung vorgeworfen.

Die Sache mit den Standheizungen

Weitere Zwischenfälle soll es nicht geben: »Die Polizei ist permanent vor Ort und fährt Streife«, sagte ein Vertreter der Gewerkschaft Verdi der Deutschen Presse-Agentur. Er sei mit einem Schlauch und Treibstoff gekommen, da sich mittlerweile bei mehreren Fahrern die Diesel-Vorräte dem Ende neigten und sie nachts keine Standheizung mehr laufen lassen könnten. »Die frieren in ihren Kabinen.«

Zuspruch für die Fahrer gab es zum Beispiel auch von der SPD im hessischen Landtag. Der Fraktionsvorsitzende Günther Rudolph sagte am Sonntag: »Das, was am Freitag geschehen ist, darf sich ein Rechtsstaat nicht gefallen lassen.«

Die Abgeordneten der Grünen im hessischen Landtag, Martina Feldmayer und Torsten Leveringhaus, machten sich laut Mitteilung am Sonntag vor Ort ein Bild von der Situation und bekundeten ihre Solidarität. »Dass eigens eine sogenannte Detektei aus Polen anreiste und die Trucker, die sich mutig für ihre fairen Löhne einsetzen, bedrohte sowie gewaltsam gegen diese vorgehen wollte, ist ein unfassbarer Vorfall«, erklärten sie demnach. Es sei auch der schnellen Reaktion der Polizei zu verdanken, dass die Situation nicht eskaliert sei.

Unterdessen hat die Petition der Fahrer an die Auftraggeber der polnischen Spedition erste Erfolge, wie Edwin Atema von der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft, der von den Streikenden zum Mediator ernannt wurde, sagte. »Erste Unternehmen haben gesagt, dass sie die Zusammenarbeit eingestellt haben, als sie von den Arbeitsbedingungen erfuhren.« Das sei zwar ein erster Erfolg, er hoffe aber, dass die Unternehmen nun ihren Einfluss geltend machten, um die Bezahlung der Fahrer durchzusetzen, sagte Atema. Ihm zufolge werden am Dienstag und Mittwoch zudem zwei Vertreter des Georgischen Gewerkschaftsbundes auf der Raststätte erwartet.

Der Versuch, die Fahrer einzuschüchtern, sei nicht der erste gewesen. »Es gab auch Proteste von kleinen Fahrergruppen auf anderen Rastplätzen in Deutschland, zum Beispiel in Garbsen bei Hannover«, so Atema. Diese hätten nach Einschüchterungsmaßnahmen die Rastplätze verlassen, einige seien nach Gräfenhausen gekommen, um weiterzumachen. Andere seien von einer Streikaktion in Italien gekommen. »Dort hat die Polizei nichts unternommen gegen die Schlägertrupps, anders als hier.«

© dpa-infocom, dpa:230410-99-263663/5