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Lebensgefahr durch Traktorunfall - Forscher fordern Auflagen

Ein Traktor mit Pflug unterwegs zum Feld - und dahinter eine Schlange von Autofahrern, die überholen wollen. Die Situation ist brandgefährlich, warnen Unfallforscher, und fordern schärfere Auflagen.

Crashtest zu Forschungsprojekt Unfallgefahr
Der PKW schlägt beim Crashtest zu Forschungsprojekt Unfallgefahr mit Traktoren und Landmaschinen in den Traktor und das daran befindliche landwirtschaftliche Gerät ein. Foto: Christoph Reichwein
Der PKW schlägt beim Crashtest zu Forschungsprojekt Unfallgefahr mit Traktoren und Landmaschinen in den Traktor und das daran befindliche landwirtschaftliche Gerät ein.
Foto: Christoph Reichwein

Deutlich langsamer als der übrige Verkehr, oft mit schlechter Sicht wegen voll beladener Anhänger - landwirtschaftliche Zugmaschinen auf dem Weg zwischen Feld und Betrieb stellen aus Sicht von Unfallforschern eine dramatische und unterschätzte Gefahr dar. Unfälle mit ihnen passierten zwar statistisch nicht allzu häufig, hätten aber oft besonders schlimme Folgen, sagte der Leiter der Unfallforschung der deutschen Versicherungswirtschaft, Siegfried Brockmann, in Münster.

Bei dem Termin in Münster stellten die Unfallforscher in einem Crash-Test eine typische Zusammenprall-Situation beim Abbiegen zwischen einem Traktor und einem Auto mit Tempo 60 nach. Der Kleinwagen fuhr dabei gegen ein landwirtschaftliches Gerät, einen Grubber, am Heck des acht bis neun Tonnen schweren Traktors. Mit ohrenbetäubendem Knall platzte der Airbag, die gesamte A-Säule an der Front des Wagens wurde eingedrückt. Ein Fahrer wäre bei einem tatsächlichen Unfall »hundertprozentig tot« gewesen, sagte Brockmann nach dem Unfall.

Zusammenstöße mit Traktoren passierten sehr häufig beim Abbiegen von Traktoren und Einbiegen von Feldwegen auf die Straße, sagte der Unfallforscher. Traktoren seien »inkompatible Unfallgegner«: wesentlich höher und deutlich schwerer als Autos oder gar Zweiräder, scharfe Anbaugeräte wie Pflüge oder Grubber würden bei der Fahrt über öffentliche Straßen oft verbotswidrig nicht hochgefahren, die Fahrer hätten durch überhängende Ladung wie Strohballen vielfach schlechte Sicht zur Seite und nach hinten und Blinker seien immer wieder schlecht sichtbar oder defekt.

Junge Fahrer mit tonnenschweren Traktoren

2019 - im besonders aussagekräftigen letzten Vor-Corona-Jahr - seien bundesweit 59 Menschen bei Unfällen mit Traktoren ums Leben gekommen, 618 wurden schwer verletzt, so die Studie der Versicherer. Der Anteil der Traktorunfälle mit Toten und Schwerverletzten liege dabei deutlich über dem Gesamtschnitt.

Brockmann kritisierte, dass in der Landwirtschaft junge Fahrer ab 16 Jahren mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 40 tonnenschwere Traktoren fahren dürften - bei Begrenzung auf 25 Stundenkilometer auch mit Anhängern. Mit zwei Anhängern seien Traktoren aber völlig vergleichbar mit einem schweren Lkw, sagte er. »Haben 16-Jährige die Reife dafür - die Antwort ist No«, sagte der Unfallforscher. Das Mindestalter müsse bei 18 Jahren liegen. Aufgeschlüsselte Unfallzahlen für 16- bis 18-Jährige liegen den Forschern allerdings nicht vor.

Unfälle mit Zweiradfahrern verhindern

Der Forscher forderte außerdem, Notbrems- und Spurwechselassistenten für Traktoren gesetzlich vorzuschreiben, um Unfälle mit Zweiradfahrern im sogenannten toten Winkel zu verhindern - etwa, wenn Motorradfahrer den Traktor überholen und er in diesem Moment abbiegt. In unübersichtlichen Kreuzungsbereichen müssten Straßenmeistereien Büsche zurückschneiden und falls nötig Straßenränder asphaltieren. Bauern sollten an neuralgischen Stellen etwa hoch wachsenden Mais auf Feldern zurückschneiden.

Jeder einzelne Autofahrer solle entscheiden, ob das Überholen eines Traktors in der jeweiligen Situation wirklich notwendig und das Risiko wert sei. Oft bögen die landwirtschaftlichen Zugmaschinen nach kurzer Zeit ab.

Freiwillig - ohne gesetzlichen Zwang - seien Verbesserungen nicht zu erwarten, betonte Brockmann. Das habe eine erste Studie zum Thema Traktorunfälle aus dem Jahr 2010 gezeigt. Schon danach hätten die Versicherer größere und besser sichtbare Blinker und Heckleuchten, Spurwechselassistenten und einen seitlichen Unterfahrschutz für Anhänger gefordert. Passiert sei seitdem nur sehr wenig.

© dpa-infocom, dpa:230504-99-561413/4