Die jüngsten schweren Mittelmeer-Unwetter wie in Libyen lassen sich nach Expertenmeinung wahrscheinlich dem Klimawandel zuordnen. Dafür sprächen »diese extremen Niederschläge in ganz, ganz kurzer Zeit«, sagte der Kieler Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif im Bayerischen Rundfunk.
Zum Hintergrund der Libyen-Katastrophe sagte Latif: »Es handelt sich hier um ein sogenanntes Mittelmeertief, und diese Tiefs können - gerade im Herbst - besonders intensiv sein, weil das Mittelmeer noch sehr, sehr aufgeheizt ist. Auf der anderen Seite kann dann auch kalte Luft aus dem Norden auf diese warme Luft treffen, und das ist dann so ein explosives Gebräu.«
Latif fügte hinzu: »Dieses Tiefdruckgebiet beschäftigt uns ja schon viele Tage lang - es hat ja zuerst in Südosteuropa gewütet, in Griechenland, Bulgarien, der Türkei, und dann hat es sich auf dem Mittelmeer noch mal richtig intensiviert und ist zu einer Art Medicane geworden.« Als Medicane bezeichnet man einen Mittelmeer-Sturm, der Ähnlichkeiten mit einem tropischen Wirbelsturm hat.
Niederschläge, die es so in Europa noch nie gegeben hat
Latif betonte, welch enorme Wucht die jüngsten Unwetter im Mittelmeerraum hatten: »In der letzten Woche haben wir Niederschläge gemessen, die hat es so in Europa noch nie gegeben. Das war zum Teil ein Vielfaches dessen, was wir bei uns während der Ahrtal-Flut hatten. Da kann man vielleicht ermessen, um welche Regenmassen es geht und welche Zerstörungskraft hinter diesen Regenmassen steckt.«
Für Latif muss es nun auch darum gehen, wie eine Region sich anpassen kann. Da sehe er aber auch Grenzen: »Ich glaube, wir waren viel, viel zu sorglos was den Klimawandel angeht. Ich denke, das ändert sich gerade, dass wir erkennen, Klimawandel bedeutet nicht einfach nur höhere Temperaturen, sondern bedeutet vor allem extremeres Wetter, mehr Schadenspotenzial und vor allen Dingen auch eine gigantische Herausforderung für die Menschen im Sinne der Gesundheit.« Man könne sich ein Stück weit anpassen, aber es gebe auch Grenzen: »Bei solchen Wassermassen, was wollen sie da noch tun?«
© dpa-infocom, dpa:230913-99-177527/2