Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts mit mehr als 62.000 Fällen einen neuen Höchststand erreicht. Was ist darunter zu verstehen?
Wann liegt eine Kindeswohlgefährdung vor?
Die Kindeswohlgefährdung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, erläutert ein Sprecher des Frankfurter Sozialdezernats. Ob eine Gefährdung des Wohls des Kindes vorliegt, hänge von vielen verschiedenen Faktoren ab. Allgemein lässt sich sagen, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wenn die Lebensbedingungen eines jungen Menschen so ungünstig sind oder in solchem Widerspruch zu seinen Bedürfnissen stehen, dass sich dies vorhersehbar schlecht auf seine Entwicklung auswirkt oder sogar sein Leben massiv gefährdet.
Wie beweist man Kindeswohlgefährdung?
Kindeswohlgefährdung ist schwer zu beweisen, wenn es keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Vernachlässigung oder Misshandlung gibt oder sich das Kind aus Angst nicht äußert oder nicht äußern kann. In solchen Fällen sind Jugendämter, Gerichte und Sachverständige gefragt. Sie geben auf der Basis sorgfältiger Diagnosen prognostische Einschätzungen ab.
Bin ich verpflichtet einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung dem Jugendamt zu melden?
Außer für die Fachkräfte der freien Träger besteht keine gesetzliche Verpflichtung – allerdings sind gefährdete Kinder auf den Schutz und die Unterstützung von allen Erwachsenen angewiesen. Das können Lehrer, Ärzte, Erzieher ebenso sein wie Nachbarn, Familienmitglieder oder Eltern von Mitschülern, die von Missständen erfahren. Kinderschützer empfehlen dabei auch, das Gespräch mit dem Kind oder mit den Eltern zu suchen.
Können sich Kinder auch alleine ans Jugendamt wenden?
Jedes Kind hat das Recht, sich an das Jugend- und Sozialamt zu wenden, auch ohne Kenntnis der Sorgeberechtigten. Die Fachkräfte sind zudem zur Inobhutnahme verpflichtet, wenn das Kind darum bittet.
Welche Möglichkeiten hat der Staat im Sinne des Kindeswohls einzugreifen?
Wenn präventive Maßnahmen und Hilfsangebote nicht gegriffen haben, gibt es bei akuter Gefährdung des Kindeswohls verschiedene Möglichkeiten der Intervention. So können Minderjährige etwa zu ihrem eigenen Schutz vorübergehend in Obhut genommen werden. Eltern kann das Sorgerecht entzogen oder ihnen verboten werden, Kontakt zu dem Kind aufzunehmen.
© dpa-infocom, dpa:230802-99-667001/4