Im Gerichtssaal sitzen Eltern und Geschwister der vor fast 40 Jahren getöteten jugendlichen Jutta dem mutmaßlichen Mörder des Mädchens aus dem südhessischen Lindenfeld gegenüber. Oft kreuzen sich ihre Blicke nicht. Der 62 Jahre alte vorbestrafte Angeklagte äußert sich am Mittwoch zum Prozessauftakt im Landgericht Darmstadt nicht zu den Vorwürfen.
Darauf habe man sich im Vorfeld mit dem Mandanten geeinigt, sagte sein Anwalt Andreas Sanders. Der Deutsche kam in Handschellen, verhüllt mit einem dunklen Kapuzenpulli in den Saal. Er schien den Prozess in Ansätzen zu verfolgen, seine Mimik blieb jedoch fast starr, auch als Eltern und Geschwister Juttas aussagten.
Die grauenhaften Vorwürfe
In ihrer kurzen Anklageverlesung schilderte Staatsanwältin Eva Heid, wie das Verbrechen aus ihrer Sicht ablief. Jutta war am 29. Juni 1986 auf dem Rückweg aus dem Freibad zu ihrem Elternhaus. Auf einem steilen Weg durch den Wald verfolgte sie der Angeklagte. Nach ein paar hundert Metern drängte er Jutta in den Wald, bedrohte sie mit einem Messer, wickelte ihr aus sexuellen Fantasien ihren Gürtel um den Hals und vergewaltigte sie anschließend. Dann erstach er der Anklage zufolge das Mädchen, grub ein Erdloch und verscharrte es dort. Dies soll er getan haben, damit die 15-Jährige ihn nicht identifizieren und anzeigen konnte. Das habe er unbedingt verhindern wollen, sagte Heid. Der damals 24 Jahre alte Mann sei auf Bewährung wegen anderer Sexualtaten gewesen.
Eltern und Geschwister wollen Antworten
»Wenn so ein Prozess beginnt, ist das wieder mit erheblichen Belastungen verbunden«, sagte Nebenklägervertreterin Angela Gräf-Bösch am Rande der Verhandlung. Es breche wieder auf, was man versucht habe zu verarbeiten in den letzten Jahren. Abschließen könne man damit nie ganz. Es gehe um die Frage, was genau an dem Tag passiert ist. Eine Aussage des Angeklagten? »Das wäre natürlich wünschenswert«, sagte Gräf-Bösch. Aber damit habe man erstmal nicht gerechnet.
»Das ist bestimmt schwer für Sie, wenn Sie das sehen nach all den Jahren«, sagte der Vorsitzende Richter Volker Wagner, der noch einmal die ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY...Ungeklöst« zu dem Fall zeigen ließ. »Die Jutta ist nicht da, da ist was passiert«, sagte die 84 Jahre alte Mutter über den Tattag. Sie sei zu Hause gewesen, ihr Mann mit dem Sohn unterwegs.
Jutta galt lange als vermisst
Nach dem Verschwinden des Mädchens suchte Polizei und Feuerwehr das Areal ab, ohne Erfolg. »Ich war jedes Mal dabei. Die haben alles abgesucht«, sagte der 87 Jahre alte Vater vor Gericht. Im Februar 1988 schließlich fand ein Spaziergänger mit einem Hund die skelettierte Leiche unweit des Elternhauses.
Die Ermittlungen laufen lange in Leere. Das Verbrechen landete schließlich bei den sogenannten Cold-Case-Einheiten von LKA und Polizei Südhessen, die ungeklärte Mordfälle von Zeit zu Zeit systematisch auf neue Hinweise überprüfen und mit neuer Kriminaltechnik auf bislang nicht entdeckte Spuren untersuchen.
Ermittler finden vor wenigen Jahren neue Spuren
»Das ist der erste Fall, den wir aufgenommen haben in der Unit«, sagte eine ermittelnde Kriminalhauptkommissarin der Cold-Case-Einheit vor Gericht aus. Bei der neuen Untersuchung von Asservaten 2020 seien dann neue Spuren entdeckt worden. Unter den Asservaten waren der Gürtel, Juttas blaues Kleid und auch ein mit Folien eingewickelter Spaten. An den Folien seien dann DNA-Spuren gewesen. So sei man auf die Spur des vorbestraften Angeklagten gekommen.
Der Verdächtige ist mehrfach verurteilt worden. Er kam in eine spezielle, geschlossene Einrichtung für psychisch kranke Straftäter. Grundlage dafür war ein Urteil des Landgerichts Kiel. In dem jetzigen Verfahren vor dem Landgericht ist ausschließlich der Mord angeklagt, weil alle anderen Straftatbestände verjährt sind.
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