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Ist die Künstliche Intelligenz der bessere Pfarrer?

Die Texte kommen von Chat GPT und der Segen wird von einem Avatar gesprochen. So gab es das schon auf dem evangelischen Kirchentag. Ein Theologe erklärt, wie Künstliche Intelligenz der Kirche helfen kann und wo ihre Grenzen sind.

Auf dem evangelischen Kirchentag im Juni wurde ein KI-Gottesdienst gefeiert. Avatare präsentierten die zuvor von ChatGPT geschri
Auf dem evangelischen Kirchentag im Juni wurde ein KI-Gottesdienst gefeiert. Avatare präsentierten die zuvor von ChatGPT geschriebenen Texte. Foto: Daniel Vogl
Auf dem evangelischen Kirchentag im Juni wurde ein KI-Gottesdienst gefeiert. Avatare präsentierten die zuvor von ChatGPT geschriebenen Texte.
Foto: Daniel Vogl

REUTLINGEN/ELLWANGEN. Weniger Mitglieder und weniger Pfarrer, die Kirchen in Deutschland stehen vor großen Umbrüchen. Deshalb versuchen viele, vor allem jüngere Theologen, mithilfe der Digitalisierung neuen Schwung in die alte Institution zu bringen. Unzählige christliche Influencer finden sich inzwischen auf Instagram oder TikTok. Gottesdienste werden auf YouTube gestellt. Beim evangelischen Kirchentag dieses Jahr ging der Theologe und KI-Künstler Jonas Simmerlein aus Wien sogar noch weiter: Er gestaltete einen ganzen Gottesdienst mittels KI. Die Texte wurden von ChatGPT erstellt und von Avataren vorgetragen, die auf einer Leinwand im Altarraum zu sehen waren. Ist das die Zukunft der Kirche?

»Es ist in der Geschichte der Kirche nichts Neues, dass Christen die neusten Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, um ihren Glauben zu verbreiten und Werbung dafür zu machen. Zur Zeit der Reformation nutzte man den Druck mit beweglichen Blei-Lettern, um Schriften und Gedankengut in die Welt zu bringen. Heute sind es YouTube, Instagram oder auch TikTok«, sagt der Theologe Florian Höhne, Professor am Lehrstuhl für Medienkommunikation, Medienethik und Digitale Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. »Ich finde das erst einmal gut«, sagt Theologe Höhne. »Schließlich machen viele dieser Influencer das in der Regel neben ihren normalen Aufgaben, oft neben der normalen Pfarrtätigkeit oder ehrenamtlich«, sagt er. Die Followerzahlen seien in der Regel zwar nicht schlecht, aber auch nicht so hoch wie bei Mode- oder Lifestyle-Influencern. »Das sind, wenn es viel ist, so 20.000 bis 42.000 Personen, die diesen Kanälen folgen«, so Höhne. Trotzdem seien diese Arten der modernen Kommunikation über den Glauben wichtig, sagt er. Denn darüber würden gerade junge Leute in ihrer eigenen digitalen Lebenswelt angesprochen. Zwar seien die Follower selten zuvor nicht gläubig gewesen, dennoch sei es auch Aufgabe der Kirche, in der digitalen Welt für die Menschen da zu sein, findet der Erlanger Theologe.

""Die Texte von ChatGPT klangen schon sehr pastoral"

Zur neuen digitalen Welt gehört auch die Künstliche Intelligenz (KI). Inwiefern diese für die Kirchen Segen oder Fluch ist, wird gerade noch ausgelotet. Ein Experiment auf dem evangelischen Kirchentag sorgte in diesem Sommer für Furore. Dort wurde ein Gottesdienst nicht mehr von einem Menschen, sondern von einem künstlichen Avatar gehalten. Die Meinungen der Gottesdienstbesucher und der Wissenschaft waren anschließend gemischt. »Es überwiegt die Ernüchterung«, sagt Theologe Höhne. »Viele, die den Gottesdienst gesehen haben, äußerten danach, dass sie die Veranstaltung als hohl und leer empfunden haben«, so Höhne. Woran das aber genau lag, darüber gibt es verschiedene Meinungen. »Die Texte von ChatGPT klangen schon sehr pastoral. Fast zu bedeutungsschwanger«, meint Höhne. Dennoch hätten sich die Zuhörer vielleicht weniger an den Texten gestört, wenn sie von einem Menschen anstatt von einem Avatar vorgetragen worden wären. »Die Sprachwiedergabe war noch nicht perfekt. Das wird sich aber mit der Weiterentwicklung der Technik vielleicht noch ändern. Dennoch fehlte den Avataren und auch den Texten natürlich das Menschliche«, sagt der Theologieprofessor.

Eins kann eine KI nämlich nicht ersetzen, davon ist Höhne überzeugt: »menschliche Beziehungen«. Ein Gottesdienst lebe davon, dass ein Mensch vor anderen Menschen stehe und man die Glaubenserfahrung gemeinsam mache. Dazu gehören auch persönliche Geschichten der Pfarrerin oder des Pfarrers, die Anknüpfungspunkte böten. »So kann ich dann nach dem Gottesdienst mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer noch einmal über seine Predigt sprechen. Und es ist ja auch der Mensch, der die Geburtstagsbesuche macht, ans Krankenbett kommt oder zum Seniorennachmittag. In der Seelsorge zählt die persönliche Verbindung«, sagt Höhne. All das könne eine KI nicht leisten. Auch deshalb seien KI-Gottesdienste keine Lösung gegen den Pfarrermangel, sagt Höhne. »Abgesehen vom fehlenden menschlichen Faktor gäbe es auch Verteilungsschwierigkeiten: Welche Gemeinde bekommt den echten Pfarrer und welche nur die KI? Das ist ein schwer zu lösendes Problem.«

»Ob ein Segen wirksam wird, liegt letztendlich am Menschen selbst«

Trotz der vielen Nachteile hat die Künstliche Intelligenz aber dennoch einige positive Eigenschaften, die den Kirchen und ihren Mitarbeitern durchaus zugutekommen könnten. »Eine KI kann einer Pfarrerin oder einem Pfarrer durchaus bei der Vorbereitung einer Predigt, etwa bei der Auslegung einer Bibelstelle helfen«, findet Höhne. Schon jetzt gebe es schließlich unzählige Literatur darüber, wie man eine Predigt schreibe, auch ganze Lesepredigten, die von den Pfarrern zur Gottesdienstvorbereitung genutzt würden. »Es ist dann aber wichtig, das, was die KI vorgibt, mit dem eigenen Wissen und der eigenen Erfahrung abzugleichen und anzureichern«, sagt Höhne.

Doch wie sieht es denn mit dem religiösen Wert einer kirchlichen Veranstaltung aus, durch oder mithilfe einer KI vorbereitet wurde? Eine KI selbst hat ja schließlich keinen Glauben und auch keine religiöse Autorität. Trotzdem sprach etwa auf dem Kirchentag ein Avatar einen von Chat-GPT geschriebenen Segen. Ist das überhaupt erlaubt? »Da gibt es unterschiedliche Position. Für einige muss ein Segen von einer ordinierten Person gesprochen werden. Ich persönlich vertrete die Meinung, dass ein Segen von Gott selbst kommt. Ob ein Segen wirksam wird, liegt dann letztendlich nicht am Menschen selbst, der vor einem steht, sondern daran, ob der Heilige Geist dazu tritt und in diesem Menschen wirkt«, sagt Theologieprofessor Höhne. Ein Segen, der in einem Gottesdienst gesprochen wird, der über das Fernsehen übertragen wird, könne schließlich auch wirken. »Natürlich ist es aber auch für viele Leute ein Unterschied, ob der Pfarrer oder die Pfarrerin, die den Segen spricht, auch daran glaubt. Ein Avatar kann nicht selbst glauben. Dennoch schließe ich es nicht aus, dass Menschen auch Glaubenserfahrungen machen können, wenn die Texte in einem Gottesdienst, oder auch der Segen, von einer KI kommt«, sagt Höhne.

Irgendwann, das glaubt zumindest der Theologe, werde man als normaler Mensch sowieso nicht mehr erkennen können, ob ein Text von einer KI oder von einem echten Menschen geschrieben und auch vorgetragen wurde. Die Technik entwickle sich rasant weiter. »Aber auf die Beziehung kommt es an. Es macht trotzdem einen Unterschied, ob hinter einem Texte ein Mensch mit Glauben und Zweifeln steht«, sagt Höhne. Deshalb wird eine Ki einen Pfarrer wohl nie wirklich ersetzen können. (GEA)