Es klingt erst einmal bedenklich: Im langjährigen Vergleich spenden laut einer Untersuchung immer weniger Privatleute in Deutschland Geld für gemeinnützige Organisationen und Kirchen. Die Anzahl der Spendenden sei mit 18,7 Millionen so niedrig gewesen wie noch nie seit Beginn der Erhebung 2005, heißt es in der »Bilanz des Helfens« für 2022. Diese wurde am Mittwoch vom Deutschen Spendenrat und Marktforschern von GfK vorgestellt. Im Ausnahme-Spendenjahr 2021 mit der Flut im Ahrtal waren es 20 Millionen Spender gewesen, in den Anfangsjahren der Erhebung noch deutlich über 25 Millionen.
Zunächst aber eine gute Nachricht: Es kommt auch durch die verbliebenen Spender immer noch eine beachtliche Summe zusammen. In der Auswertung verzeichnet der Dachverband von 70 gemeinnützigen spendensammelnden Organisationen 5,67 Milliarden Euro für 2022. Das ist nur etwas weniger als 2021 (5,76 Milliarden) und das zweitbeste Ergebnis. Die Solidarität der Spendenden sei trotz hoher Inflation und steigenden Energiepreisen ungebrochen, teilte der Spendenrat mit.
Hilfen für Ukraine-Flüchtlinge
Die Menschen hätten insbesondere Hilfen für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine geleistet, sagte Spendenrat-Geschäftsführer Martin Wulff laut Mitteilung. Das Ergebnis erklärt sich auch dadurch, dass Spender pro Jahr mehrfach Geld geben - rund sieben Mal im Schnitt. Und auch der Betrag pro Spende steigt, auf inzwischen 43 Euro. Den größten Anteil am Spendenaufkommen hätten Menschen über 70, hieß es.
Wie erklärt sich dann der Rückgang bei der Zahl der Spender? Eine Vermutung, die Experten schon seit längerem äußern, ist, dass bei den nachkommenden Generationen die eigene Erfahrung etwa von Leid im Krieg fehlt. Prioritäten könnten sich verschoben haben.
Es fallen aber auch längst nicht alle Wege, Gutes zu tun, unter die Kriterien der »Bilanz des Helfens«. Unter anderem Erbschaften, Großspenden, ehrenamtliche Einsätze und Sachspenden fließen nicht ein. Dabei gebe es etwa im Bereich von Erbschaften »großes Wachstum«, sagte Larissa Probst, Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising Verbands, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. »Ressourcen aus dem Wirtschaftswunder werden nun weitergegeben. Jedoch auch mit Spenden oberhalb der vom Spendenrat gezogenen 2500-Euro-Grenze.«
Andere Definitionen haben entsprechend andere Ergebnisse zur Folge: Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) gibt laut aktuellsten Zahlen für 2021 rund 12,9 Milliarden Euro an Spenden in Deutschland an. Erfasst sind Spenden bis 30.000 Euro und von Menschen, die keine Deutschen sind.
Monatliche Tagebücher als Basis
Auch die Methodik hat Einfluss: Die Hochrechnungen der »Bilanz des Helfens« basieren auf monatlichen Tagebüchern von 10. 000 Teilnehmern ab 10 Jahren, die teils noch auf Papier geführt werden. Fragt man nur Internetnutzer bis 70 Jahre - so wie Probsts Verband im »Deutschen Spendenmonitor« - erweisen sich rund 53 Prozent der Befragten als Spender. In der »Bilanz des Helfens« sind es hingegen nur 28 Prozent.
Die Zahlen vom Mittwoch bereiten Probst keine größeren Sorgen. »Die klassische Geldspende wird weiter einer der wichtigsten Bereiche bleiben.« Für Organisationen seien zweckungebundene Geldspenden besonders wichtig, weil sie damit auch laufende Kosten decken und längerfristig planen könnten.
Neue, vielfältigere Formen des Gebens sind in bisherigen Erhebungen oft nicht berücksichtigt, wie Probst erklärt: Zum Beispiel, wenn mit dem Kauf eines Müsliriegels ein Teil des Preises gespendet wird. Sie sieht eine starke »Purpose-Debatte« im Land, Nachhaltigkeit und Sinnstiftung seien wichtig. »Man darf nicht die jüngere Generation unter Generalverdacht stellen.« Auch nicht die 40- bis 49-Jährigen, die sich laut »Bilanz des Helfens« immer mehr zum »Sorgenkind aller Altersgruppen« entwickeln. Probst meint, diese Gruppe habe während der Pandemie unter besonderem Druck gestanden und oft wohl gar keinen Kopf fürs Spenden gehabt.
Für Organisationen kommt es den Experten zufolge darauf an, zeitgemäße Formate der Ansprache zu nutzen, um etwa jüngere Spender zu gewinnen. Potenzial gebe es zudem bei Menschen, die bisher lediglich punktuell nach Katastrophen einen größeren Betrag spenden, sagte GfK-Expertin Bianca Corcoran-Schliemann. Diese als regelmäßige Spender zu gewinnen, sei aber sehr schwierig.
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