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Harry, Meghan und die Abgründe der Royal Family

Der Weihnachtssegen im Hause Windsor hängt schief: Kurz vor dem Fest schießen per Netflix Prinz Harry und Meghan erneut Giftpfeile über den Atlantik. In London ist von einer »Kriegserklärung« die Rede.

Prinz Harry und Herzogin Meghan
Der britische Prinz Harry und seine Frau Meghan sprechen in einer Netflix-Doku über ihr schwieriges Verhältnis zum britischen Königshaus. Foto: Chris Jackson
Der britische Prinz Harry und seine Frau Meghan sprechen in einer Netflix-Doku über ihr schwieriges Verhältnis zum britischen Königshaus.
Foto: Chris Jackson

Die scharfen Geschütze haben sich Harry und Meghan als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk aufgehoben: In drei Episoden - »Volume II« ihrer mehrteiligen Netflix-Dokuserie - teilt das Paar heftig gegen das britische Königshaus aus. »Es war erschreckend, wie mein Bruder mich angeschrien und angebrüllt und mein Vater Dinge gesagt hat, die einfach nicht wahr sind«, sagt Harry vor laufender Kamera, als er sich an ein Krisentreffen über seine und Meghans Zukunft erinnert. Queen Elizabeth II. habe bei dem Treffen einfach dabei gesessen und alles sacken lassen. Und Meghan? Sei nicht einmal eingeladen gewesen, wie die 41-Jährige entgeistert anmerkt.

Während das Paar in den vergangene Woche erschienen ersten Episoden der Doku vor allem mit dem britischen Boulevard abrechnete, ist nun in den am Donnerstag veröffentlichten Episoden der Palast selbst dran. »Ich habe gesagt: Wir müssen hier raus«, betont Harry in einer von sechs Episoden, für die sich das Paar lange von einem Kamerateam hat begleiten und interviewen lassen. Das Königshaus spiele ein »schmutziges Spiel« mit den Medien, so das Urteil des Prinzen.

Er habe 30 Jahre Erfahrung hinter den Kulissen und wisse, wie das System funktioniere. Wenn ein Presseteam eine negative Geschichte über ein bestimmtes Mitglied der Royal Family aus der Welt räumen wolle, würden über ein anderes Familienmitglied Gerüchte gestreut, meint Harry. »Es werden nicht nur Dinge geleakt, sondern auch Geschichten in die Welt gesetzt.«

Konkret wird es am Beispiel seines Bruders William: Als eine Zeitung behauptete, William habe Harry und Meghan aus der Familie gemobbt, habe der Palast nur wenige Stunden gebraucht, um ein angeblich gemeinsames Dementi der Brüder zu veröffentlichen. Er sei jedoch nicht einmal dazu befragt worden, sagt Harry. »Binnen Stunden haben sie gelogen, um meinen Bruder zu schützen, aber in drei Jahren wollten sie nie die Wahrheit aussprechen, um uns zu beschützen.«

Harry übt Kritik an sich selbst

Die teils rassistische Kampagne gegen Meghan, die sich für den Boulevard in London schnell vom Publikumsliebling zur »Duchess Difficult« (»Komplizierte Herzogin«) entwickelte, sei vom Palast nicht aufgehalten worden, kritisiert das Paar. »Ich wurde nicht den Wölfen zum Fraß vorgeworfen, ich wurde an die Wölfe verfüttert«, meint Meghan.

Harry gibt sich dazu auch selbstkritisch: »Wenn ich jetzt zurückblicke, hasse ich mich dafür«, sagt der 38-Jährige über seinen Umgang mit Suizidgedanken seiner Frau. »Ich bin als Institutions-Harry damit umgegangen, nicht als Ehemann-Harry.« Meghan - von Harry liebevoll »Meg« genannt - habe zu dieser Zeit mehr von ihm gebraucht, als er habe geben können, bedauert er.

Während der konservative britische »Telegraph« die Doku bereits als »Kriegserklärung« einstuft, hüllt sich der Palast zunächst in Schweigen. Hier und da lässt Harry selbst durchblicken, wie sich der Graben zwischen ihm und der Familie vertieft hat. Der Zuschauer wird Zeuge, wie ihn eine SMS von Prinz William aus der Bahn wirft, nachdem Meghan und er im Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey im vergangenen Jahr erstmals auspackten.

Man erfährt auch, dass rund um die Beerdigung von Harrys Großvater Prinz Philip Gespräche zwischen dem damaligen Thronfolger Charles, William und Harry stattgefunden haben. »Ich musste Frieden damit schließen, dass niemals jemand ernsthaft Verantwortung übernehmen oder eine ernsthafte Entschuldigung aussprechen wird«, meint Harry. Sein Eingeständnis, dass er »merkwürdige Familientreffen, bei denen alle unter einem Dach zusammenkommen« und seine britische Heimat vermisse, dürfte die Royals angesichts dessen nur wenig besänftigen.

Was ist in der Netflix-Serie zu sehen?

Für all jene Royal-Fans, die nicht genug von den Abtrünnigen und ihrem neuen Leben bekommen können - wovon es Umfragen zufolge im Vereinigten Königreich zumindest offiziell nicht mehr viele geben dürfte - hat Netflix viel zu bieten. Wie durchs Schlüsselloch lassen sich Harry und Meghan dabei begleiten, wie sie den ersten Geburtstag ihres gemeinsamen Sohnes Archie feiern, sich sechs Wochen lang in der Villa eines Freundes in Los Angeles abschirmen oder am gemeinsamen Schreibtisch über eine SMS von Sängerin Beyoncé scherzen. Wer will, kann dem Paar so nah kommen, wie es gerade für Royals im traditionellen Sinne so gar nicht üblich ist.

Glaubt man Meghan, will sie nun vor allem eins: Frieden finden. Doch zunächst haben sie und Harry sich mit ihrer provokanten Erzählung wohl ins Auge des nächsten Sturms begeben. Wenn der vorübergezogen ist, steht im Januar schon die Veröffentlichung von Harrys Memoiren bevor. Für die Royals in London stand am Donnerstagabend die Fernsehaufzeichnung eines festlichen Weihnachtskonzerts in der Westminster Abbey auf dem Programm. Ob sie nach den Vorwürfen aus den USA dabei ihre Gesichtszüge im Griff haben, können die Briten an den Feiertagen im Fernsehen beobachten - im linearen, nicht auf Netflix.

Tweet von Netflix

© dpa-infocom, dpa:221215-99-910199/5