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Haft für Klimaaktivisten nach Kunst-Attacke

In London vergeht kaum eine Woche, ohne dass Klima-Aktivisten von Extinction Rebellion festgenommen werden. Für Aufsehen sorgt auch Just Stop Oil: Die Ziele der Organisation sind Millionen wert.

Gerichtsverfahren
Emily Brocklebank und Xavier Gonzales-Trimmer, Aktivisten von »Just Stop Oil«, beim Verlassen des Gerichts in London. Foto: James Manning
Emily Brocklebank und Xavier Gonzales-Trimmer, Aktivisten von »Just Stop Oil«, beim Verlassen des Gerichts in London.
Foto: James Manning

Der Protest ist radikal, doch die Aufmerksamkeit ist groß: Seit Wochen kleben sich Klimaaktivistinnen und -aktivisten immer wieder an Kunstwerken fest oder bewerfen sie mit Tomatensuppe und Kartoffelbrei. Von einer Schocktaktik, um das Bewusstsein für die Klimakrise zu schärfen, sprechen Befürworter. Für Gegner hingegen handelt es sich um Akte des Vandalismus gegen die oft Millionen Euro teuren Kunstwerke. Doch kalt lassen die Aktionen von Gruppen wie Just Stop Oil kaum jemanden.

Am Dienstag standen in London zwei junge Menschen vor Gericht, die sich Ende Juni in der Courtauld Gallery am Rahmen des Gemäldes »Blühende Pfirsichbäume« von Vincent van Gogh festgeklebt hatten. Der Schaden: knapp 2000 Pfund (2300 Euro) - deshalb muss Louis McKechnie für drei Wochen in Haft. Emily Brocklebank erhielt die gleiche Strafe, allerdings für sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt. Die Aktion bereut sie nicht. »Wenn es um Protest geht, bekommt man mit Reden keine Plattform«, sagte die 24-Jährige vor Gericht. »Durch das Kleben entsteht eine Geschichte, der die Medien folgen wollen.« Der Kolumnist George Monbiot stimmte in der britischen Zeitung »Guardian« zu: »«Seriöser» Protest wird rundweg ignoriert.«

Tomatensuppe auf die »Sonnenblumen«

Klebten sich die Klimaschützer - wie Brocklebank und ihr Mitstreiter Louis McKechnie - zunächst an Gegenständen fest, gehen sie mittlerweile weiter. Am 23. Oktober schütteten Aktivisten der Gruppe Letzte Generation im Potsdamer Museum Barberini Kartoffelbrei auf das mit Schutzglas versehene Gemälde »Getreideschober« von Claude Monet. Im Wiener Leopold Museum wurde das mit Glas geschützte Gemälde »Tod und Leben« von Gustav Klimt mit Öl beschüttet. Ähnliche Attacken gab es in berühmten Museen etwa in Rom, Melbourne oder Canberra.

Als Initialzündung gilt eine Aktion von Just Stop Oil in der Londoner National Gallery, wo zwei junge Frauen Tomatensuppe in Richtung des berühmten Werks »Sonnenblumen« von van Gogh geworfen worden. Vor Gericht plädierten sie auf nicht schuldig, am 13. Dezember soll der Prozess wegen Sachbeschädigung in der britischen Hauptstadt beginnen. In Den Haag gab es bereits einen Richterspruch: Drei Männer wurden wegen einer Attacke auf das Johannes-Vermeer-Gemälde »Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge« zu zwei Monaten Haft - davon einer auf Bewährung - verurteilt.

Der Protest stößt auch auf Verständnis

Museen und Galerien weltweit sind alarmiert. »Die verantwortlichen Aktivisten unterschätzen die Zerbrechlichkeit dieser unersetzlichen Objekte, die als Teil unseres Weltkulturerbes erhalten werden müssen, stark«, hieß es jüngst in einer gemeinsamen Mitteilung der Chefs von mehr als 100 Kunstinstitutionen. Doch der aufsehenerregende Protest stößt durchaus auf Verständnis.

»Die Klimaaktivisten haben zu 1000 Prozent recht. Und ich unterstütze sie zu 1000 Prozent«, sagte der irische Rockmusiker und Umweltschützer Bob Geldof dem Sender Radio Times. Die Aktivisten seien clever, dass sie die eigentlichen Werke nicht beschädigten. So seien die Attacken lediglich lästig. »Und lästig ist ganz gut.« »Guardian«-Kolumnist Monbiot fragte rhetorisch: »Interessieren wir uns wirklich mehr für van Goghs Sonnenblumen als für echte?« Ebenfalls im »Guardian« lobte Aileen Getty, Enkelin des Ölmagnaten J. Paul Getty, die Klimaaktivisten: »Gewaltfreier, ziviler Widerstand funktioniert.«

In London sagte Aktivistin Brocklebank, sie sei sicher, dass der Besitzer des Gemäldes dem Protest zugestimmt hätte. »Jeder gute Mensch würde dem Versuch zustimmen, das Leben auf der Erde zu erhalten.« Sie habe keinen großen Schaden angerichtet: »Kleber geht wieder ab.« Ihr Mitstreiter McKechnie hatte bei der Aktion gesagt, er habe das Werk, an dem er sich nun festgeklebt hatte, als Kind mit seinem Vater bewundert. »Ich liebe dieses Gemälde immer noch, aber ich liebe meine Freunde und Familie mehr, ich liebe Natur mehr«, sagte der 22-Jährige damals.

Die Vorwürfe gegen einen 21 Jahre alten Aktivisten, der Sicherheitskräfte abgelenkt haben soll, wurden fallengelassen. Er erhielt einem Bericht der Nachrichtenagentur PA zufolge aber eine Geldstrafe, weil er nicht vor Gericht erschien.

© dpa-infocom, dpa:221122-99-621318/7